ich
winden Es
war leicht, aus dem Bett zu steigen, ohne daß seine Mutter wach wurde, auf allen
vieren zur Tür zu kriechen, langsam hinauszugehen und gierig den Geruch der
feuchten Erde einzuatmen und durch die Hintertür auf die Wiesen zu entkommen;
die Weiden hingen voller Insektenpuppen, Ireneo nahm eine besonders große,
setzte sich neben einen Ameisenhaufen und drückte langsam das Ende der Puppe
zusammen, bis der Wurm seinen Kopf durch die seidige Halskrause steckte, dann
mußte man ihn vorsichtig an der Haut am Hals packen, wie eine Katze, ohne viel
Kraft ziehen, um ihm keinen Schaden zuzufügen, und schon war der Wurm nackt
und krümmte sich komisch in der Luft; Ireneo setzte ihn neben den Ameisenhaufen
und legte sich dann bäuchlings in den Schatten und wartete; die schwarzen Ameisen
waren um diese Zeit wie verrückt am Arbeiten, sie schnitten Gras und schleppten
tote oder lebendige Insekten von allen Seiten herbei; sofort bemerkte eine Späherin
den Wurm, seine grotesk sich windende Masse, sie betastete ihn mit den Fühlern,
als könne sie soviel Glück gar nicht fassen, sie rannte von einer Seite zur
ändern und streifte dabei die Fühler der anderen Ameisen, eine Minute später
war der Wurm umringt, besetzt, nutzlos bäumte er sich auf, um sich von den Zangen
zu befreien, die sich in seine Haut bohrten, während die Ameisen in Richtung
Ameisenhaufen zogen und ihn mitschleppten. Ireneo genoß vor allem die Verdutztheit
der Ameisen, wenn sie den Wurm nicht durch den Eingang des Ameisenhaufens hineinkriegten,
das Spiel bestand darin, einen Wurm zu finden, der größer als der Eingang des
Ameisenhaufens war, die Ameisen waren blöd und begriffen nicht, zogen von allen
Seiten, wollten den Wurm hineinbekommen, aber der Wurm wand sich wütend, es
mußte schrecklich sein, was er fühlte, die Beine und die Zangen der Ameisen
am ganzen Körper, auf den Augen und auf der Haut, er kämpfte und wollte sich
befreien, und das war noch schlimmer, weil immer mehr Ameisen kamen, einige
waren wirklich wütend und schlugen ihre Zangen in den Wurm und ließen nicht
los, bis sie es geschafft hatten, daß das Gesicht des Wurms ein Stückchen in
den Gang des Ameisenhaufens hineinrutschte, und vermutlich zogen andere von
innen mit aller Kraft, um ihn reinzubringen, Ireneo wäre gern auch in dem Ameisenhaufen
drin gewesen, um sehen zu können, wie die Ameisen an dem Wurm zogen, wie sie
ihre Zangen in seine Augen und seinen Mund schlugen und mit aller Kraft zogen,
bis sie ihn ganz drin hatten und in die tiefste Tiefe schleppten und ihn töteten
und auffraßen - (
ray
)
Sich winden (2)
Sich winden (3)
Sich
winden (4) Später, als ich schon in der Pubertät
war, verlegte sich mein Vater immer mehr darauf, die Stimmen seiner Sekretärinnen
und weiblichen Angestellten aufzunehmen. Wenn mein Vater ihnen anschließend
diese Aufnahmen vorspielte, schnitten sie seltsame Grimassen und vollführten
Körperbewegungen, die ich zuvor noch nie an ihnen gesehen hatte. Nicht allein,
dass sie die Lippen fast synchron zu dem Gesprochenen bewegten, sie versuchten
durch das Verziehen des Gesichts, das Drehen und Wenden des Körpers nun genau
diese ständige Regulation beim Sprechen herzustellen, die ihnen mithilfe des
Kehlkopfs nicht mehr möglich war. Mein Vater delektierte sich an diesen Zuckungen
und Verrenkungen, denn die Körper seiner weiblichen Untergebenen schienen ihm
in diesen Momenten entblößt und offengelegt, sodass er sich das Winden seiner
Sekretärinnen als das Winden beim Geschlechtsakt imaginieren konnte. Ich weiß
nicht, was die Angestellten dazu brachte bei diesen seltsamen Aktivitäten mitzumachen.
Wahrscheinlich spielten sie ihre unwissende Naivität nur, hatten tatsächlich
jedoch blanke Angst, bei einer etwaigen Weigerung entlassen oder entsprechend
schikaniert zu werden. Die Texte, die mein Vater den jungen Frauen zum Vorlesen
gab, angeblich aus Forschungszwecken, wurden immer zweideutiger und enthielten
Wörter wie lecken, lutschen und so weiter. In den wenigen Fällen, da ich bei
so einer Aufnahme mit anschließendem Vorspiel anwesend war, sah ich die Abgespaltenheit
im Körper der Sekretärinnen und spürte ihre Angst. Mich von dieser Situation
erregen zu lassen, wie mein Vater es tat, war mir hingegen nicht möglich. - (raf)
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