ich erheben Zu Anbeginn lebte in Ankota ein Mann, der ohne Vater und Mutter der Erde entsprungen war. Er hatte schlafend im Schoß der Erde gelegen, und die Termiten hatten seinen Körper ausgehöhlt, und die Erde lag wie eine Decke über ihm. Während er so im Boden lag, entstand in seinem Geist ein Gedanke: »Vielleicht wäre es schön, sich zu erheben.« Er lag da in diesen Gedanken vertieft. Dann erhob er sich aus der weichen Erde eines kleinen Wasserlaufes.
Er schaut sich um, noch im Halbschlaf. Um sich herum sieht er mächtige Tnatanjapfähle in den Himmel ragen und schwanken, Tnatanjas von Männern und Frauen, die auf dieselbe Weise entstanden sind wie er. Er zögert. »Wohin soll ich gehen?« Er steht auf Beinen, die noch schwach sind und beben. Sein Körper gleicht einem Skelett, denn die Termiten haben lange an ihm gezehrt. Matt steht er da. Dann wankt er zu einem nahen Sumpf und läßt sich an dessen Rand nieder.
Gedanken und Wünsche
bilden sich in seinem Geist. Er beginnt, sich mit rotgefärbten Daunen zu schmücken.
Ein großer Tnatanjapfahl ragt auf seinem Haupt: Er entstieg der Erde mit diesem
Pfahl auf seinem Haupt, und dann schoß der Pfahl empor, bis er den Himmelsdom
berührte. Er beginnt, heftig zu atmen, und er wittert in alle vier Windrichtungen:
ein kalter Wind weht aus dem Norden. Ein kalter Wind weht aus dem Osten. Doch
da: ein warmer Wind kommt aus dem Westen. Begierig atmet er den warmen Wind.
»Aus dem Westen kommt der Wind, der mein Herz erwärmt.« Er kehrt zu der Stelle
zurück, an der er entstanden war. Doch nun füllt sich sein Herz mit Zorn gegen
den Westen. Der große Tjurunga auf seinem Kopf fällt zur Erde nieder, er erhebt
sich und läßt ihn liegen und begibt sich auf eine Wanderung nach Westen. Bald
verschwindet er im Erdboden und setzt seine Wanderung unterirdisch fort. In
Irbunngurerea taucht er wieder auf. Er blickt auf den Boden und erkennt Fußspuren,
die Spuren von Frauen. Nach Nahrung lechzend sieht er, wo sie im Bachbett nach
Fröschen gegraben hatten. »Hier brennt kein Feuer, wo, wo sind sie?« Er kauert
sich nieder und streckt sich zu seiner vollen Länge aus, dann setzt er wie ein
Hund seinen Weg fort. »Dieses Lager haben sie erst am Vortag verlassen.« Dann
erspäht er eine dünne Rauchfahne, die sich aus einer anderen verlassenen Feuerstelle
erhebt. »Von hier sind sie erst heute fortgezogen.« Er spuckt sich auf die Handflächen,
sein Heißhunger auf die Frauen
steigert sich. »Vor kurzem haben sie hier nach Fröschen gegraben, doch sie sind
nirgendwo zu sehen. Wo, wo mögen sie sein?« Da entdeckt er glühende Kohle. »Gerade
eben sind sie von hier fortgegangen. Soeben haben sie diesen Ort verlassen.«
Er schmiegt sich an den Erdboden und kriecht weiter. Jetzt sieht er die Gestalten
der Frauen in der Ferne. Plötzlich wird den Frauen übel. »Wer hat plötzlich
diese Übelkeit über uns gebracht?« Hilflos sitzen sie da, sie können nicht mehr
essen. Sie lassen ihren Blick in die Ferne schweifen. Aber der Mann hat sich
schon versteckt. Während sie immer noch mit hoch erhobenen Häuptern die Ferne
nach der Ursache ihrer Übelkeit absuchen, ist der Mann
im langen Gras an sie herangekrochen und fällt sie an. Seine Zähne graben sich
tief in die Hüften der Frauen ein. Er reißt sie, dann
geht er weiter. - Märchen aus
Australien. Traumzeitmythen der Aborigines. Hg. Anneliese Löffler. München 1992
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