ich abseilen

- Nicole Claveloux (Illustr. zu Confessions d'un monte-en-l'air)

Sich abseilen ⁽²⁾ Sie banden das Seil um Profanes Hüfte. Da er so unförmig war, bereitete es Schwierigkeiten, seinen Schwerpunkt auszumachen. Dann verknotete Stencil das andere Ende mit ein paar Schlingen an einer Fernsehantenne. Profane kletterte über den Dachrand und begann sich abzuseilen.

»Wie geht es?« fragte Stencil nach einer Weile.

»Wenn da unten nicht diese drei Bullen wären, die mich mit ihren Fischaugen anglotzen ...«

Am Seil ruckte es.

»Ha, ha«, lachte Profane. »Drangekriegt.« Es war nicht eine Laune, die ihn an diesem Abend selbstmörderisch handeln ließ. Aber in Gegenwart all dieser unbeseelten Dinge - des Seils, der Antenne, des Hauses und der Straße neun Etagen tiefer -, konnte man da noch erwarten, daß er vernünftig reagierte?

Es stellte sich heraus, daß sie seinen Schwerpunkt nicht getroffen hatten. Während Profane zu Eigenvalues Fenster schob, drehte sich sein Körper langsam, bis er schließlich mit dem Kopf nach unten und parallel zur Straße hing.

»Lieber Gott«, murmelte Stencil. Ungeduldig ruckte er am Seil. Bald hörte Profane auf, herumzupendeln. Seine kaum sichtbare Gestalt sah aus wie ein vierfach amputierter Polyp. Er hing jetzt still da und dachte nach.

»He!« rief er nach einer Weile.

»Was.«

»Zieh mich schnell wieder hoch. Eil dich.« Keuchend und seine Jahre spürend, begann Stencil, das Seil wieder einzuholen. Er brauchte zehn Minuten dazu. Profane tauchte auf und hängte seine Nase über den Dachrand.

»Was ist denn los?«

»Du hast vergessen, mir zu sagen, was ich tun soll, wenn ich erst einmal durchs Fenster geklettert bin.« Stencil sah Ihn nur an. »Ach. Ich soll dir die Tür aufmachen ...«

»... und du machst sie zu, wenn du rausgehst«, sagten sie im Chor.  - (v)