herlock Holmes   Mein Freund saß im Morgenmantel an einem Tischchen und führte konzentriert eine chemische Untersuchung durch. Über der bläulichen Flamme eines Bunsenbrenners kochte etwas wild in einer großen, mehrfach gebogenen Retorte, und die destillierten Tropfen fielen in ein Zweilitergefäß. Er blickte kaum auf, als ich eintrat, und ich setzte mich in einen Lehnstuhl und wartete, da ich sah, daß seine Untersuchung offenbar wichtig war. Er stocherte mit einer gläsernen Pipette in dieser und jener Flasche und entnahm jeweils ein paar Tropfen und brachte schließlich ein Reagenzglas mit einer Lösung zum großen Tisch. In der rechten Hand hielt er ein Stück Lackmus-Papier.

»Sie kommen in einem entscheidenden Augenblick, Watson«, sagte er. »Wenn das Papier blau bleibt, dann ist alles gut. Wenn es sich rot färbt, steht das Leben eines Mannes auf dem Spiel.« Er tunkte es in das Reagenzglas, und sofort nahm es eine dunkle, schmutzigrote Färbung an. »Hm! Das habe ich mir gedacht!« rief er. »In einer Sekunde stehe ich Ihnen zu Diensten, Watson. Tabak finden Sie im persischen Pantoffel.«

Er wandte sich zum Schreibpult und setzte einige Telegramme auf, die er dem Diener übergab. Dann warf er sich mir gegenüber in einen Sessel und zog die Knie so weit hoch, daß er die Arme um die Schienbeine schlingen konnte.

»Ein ganz gewöhnlicher kleiner Mord«, sagte er. »Ich nehme an. Sie bringen etwas Besseres. Sie sind der Sturmvogel des Verbrechens, Watson. Was ist es diesmal?«  - Arthur Conan Doyle, Das Marineabkommen. In: Ders., Die Memoiren von Sherlock Holmes. Leipzig und Weimar 1984  (zuerst ca. 1900)

Sherlock Holmes  (2)  Holmes öffnete Watsons Arzttasche und entnahm ihr eine Spritze. «Wollen Sie sich beteiligen, Lestrade?»

«Nein, danke, lieber nicht», erwiderte der Inspector. Holmes verschwand in einem Nebenzimmer, aus dem kurz darauf der entsetzlichste Lärm eines Geigenbogens ertönte, der über die Saiten kratzte.

«Ich bringe Sie hinaus, Lestrade», sagte Watson. «Tut mir leid, daß ich Ihnen keine große Hilfe sein konnte.»

«Braucht Ihnen überhaupt nicht leid zu tun», sagte Lestrade. «Holmes hat mir eine Sache ganz klargemacht.» «Welche?»

«Daß Atlanta Washington unschuldig ist.» «Oh, gewiß. Es geht ihm nicht gut, wissen Sie.» «Washington?»

«Nein, Holmes. Eines Tages wird diese Angewohnheit ihn umbringen.»

«Eines Tages wird er damit auch gegen das Gesetz verstoßen», sagte Lestrade, als Mrs. Hudson ihm seinen Hut gab. «Das wäre eine traurige Geschichte, wenn der große Detektiv im Gefängnis sterben müßte, unheilbar süchtig.»

Lestrade trat auf die Straße. Über seinem Kopf wurde ein Schiebefenster geöffnet. Holmes lugte heraus, den Geigenhals mit der Faust umklammert. «Ich muß mich für Watson entschuldigen. Ihm ist nicht ganz wohl gewesen. Hat sich in Indien etwas geholt. Ist seitdem nie mehr der alte gewesen. Sie haben die Symptome gesehen. Über mich zu kichern und mich aus dem Hinterhalt anzugreifen. Man sollte, um Gottes willen, von ihm erwarten, daß er sich wie ein Mann vom Fach benimmt. Wie auch immer, es ist nun mal so. Traurig, wie?»

«Sehr», sagte Lestrade, tippte an seinen Hut und ging fort. - M. J. Trow, Lestrade und die Struwwelpeter-Morde. Reinbek bei Hamburg 1990 (zuerst 1985)

 

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