Serviettenschwenker   Zazie schlief wieder ein. Laverdure versuchte, zweifellos aus Rache, ein frisches Exkrement aus seinem Käfig zu schnellen. Indessen gingen die Ohrfeigen zwischen Gridoux und der Witwe Mouaque lu'stig hin und her, und Gabriel lachte lauthals, als er sah, wie Turandot das Bein zu schwingen versuchte. Aber dieser Zauber war gar nicht nach dem Geschmack der Ser-. viettenschwenker des Nyctalopes. Zwei von ihnen, die in dieser Art Arbeit spezialisiert waren, packten Turandot plötzlich an den Armen, rahmten ihn lustig ein und hatten es bald fertiggebracht, ihn nach draußen zu bringen, um ihn auf den Asphalt des Fahrdamms zu werfen und somit die langsame Fahrt einiger mürrischer Taxis in der gräulichen und erfrischten Luft des ganz frühen Morgens zu unterbrechen.

— Also das, sagte Gabriel. Also das: nein! Er stand auf, griff sich die beiden Servietten Schwenker, die zufrieden zu ihrer Arbeit im Haushalt zurückkehren wollten, und ließ ihre Birnen mit solcher Wucht und auf so schone Art und Weise gegeneinanderrasseln, daß die beiden Stutzer aufgelöst zusammenbrachen.

— Bravo, rufen Gridoux und die Witwe Mouaque im Chor. Sie hatten ihre Korrespondenz, die sie miteinander geführt hatten, in gemeinsamer Übereinstimmung unterbrochen. Ein dritter Serviettenschwenker, der sich in Schlägereien auskannte, wollte einen Blitzsieg davontragen. Er nahm einen Siphon in die Hand und trug sich mit der Absicht, seine Masse an Gabriels Schädel zum Tönen zu bringen. Aber Gridoux hatte den Gegenangriff vorausgesehen. Ein anderer, nicht minder kompakter Siphon, von ihm sorgfältig weggeschleudert, verursachte am Ende seiner Flugbahn einige Schäden am Kopf des Schlaubergers. - Verflucht und zugenäht, heult Turandot, der auf Kosten der Bremsen einiger ganz besonders morgendlicher nächtlicher Karren sein Gleichgewicht auf dem Fahrdamm wiedergefunden hat, stürmte wieder in die Kneipe und bekundete ein stolzes Verlangen nach Kampf.

Es waren jetzt ganze Herden von Serviettenschwenkern, die von allen Seiten auftauchten. Man hätte nie geglaubt, daß es so viele davon gab. Sie kamen aus den Küchen, aus den Kellern, aus den Büros, aus den Kammern. Ihre dichte Masse verschlang Gridoux regelrecht, und dann auch Turandot, der sich zwischen sie verirrt hatte. Aber es gelang ihnen nicht so leicht, Gabriel kleinzukriegen. Gleich der Koleoptere, die von einer myrmidonischen Kolonne angegriffen wird, gleich dem Ochsen, den ein Schwärm Blutegel überfällt, schüttelte sich Gabriel, schnaubte, schlug um sich und warf in die verschiedensten Richtungen menschliche Wurfgeschosse, die die Tische und Stühle zerbrachen oder den Gästen zwischen die Füße rollten.

Der Lärm dieser Kontroverse machte Zazie schließlich wach. Als sie ihren Onkel in den Krallen dieser Limonadenmeute sah, heulte sie: Mut, Onkel, bemächtigte sich einer Karaffe und warf sie blindlings in den Haufen. So groß ist der militärische Geist bei den Töchtern Frankreichs. Diesem Beispiel folgend, verstreute die Witwe Mouaque wahllos Aschenbecher um sich. So viel vermag der Nachahmungstrieb auch bei den Minderbegabten zu bewirken. Man hörte darauf einen beachtlichen Spektakel: Gabriel war ins Geschirr gefallen und hatte sieben entfesselte Serviettenschwenker, fünf Gäste, die Partei ergriffen hatten, und einen Epileptiker mit sich in die Scherben gezogen.

In einer Bewegung aufstehend, näherten sich Zazie und die Witwe Mouaque dem menschlichen Magma, das im Sägemehl und im Porzellan herumzappelte. Einige wohlgezielte Schläge mit dem Siphon schlossen einige Personen mit weichem Schädel vom Wettbewerb aus. Daraufhin konnte Gabriel aufstehen, den von seinen Gegnern gebildeten Vorhang gewissermaßen zerreißen und die versunkene Gegenwart Gridoux' und Turandots, die am Boden niedergestreckt waren, wiederauferstehen lassen. Einige Selterswasserstrahlen, vom weiblichen und krankenpflegerischen Element auf ihre Riecher gerichtet, brachten sie wieder in Form. Von nun an war der Ausgang des Kampfes nicht mehr zweifelhaft.  Während die lauen oder gleichgültigen Gäste sich heimlich davonmachten, wurden die Hartnäckigen und die Servietten-Schwenker, am Ende ihrer Kräfte, unter der erbitterten Faust Gabriels, der eisenharten Manschette Gridoux' und dem virulenten Fuß Turandots ganz kleinlaut. Als sie dann nur noch Kleinholz waren, entfernten Zazie und die Witwe Mouaque sie von der Oberfläche des Lokals und schleppten sie auf den Bürgersteig hinaus, wo wohlwollende Interessenten sie aus reiner Herzensgüte zu Haufen aufstapelten.

Nur Laverdure hatte an der Hekatombe nicht teilgenommen, da er gleich zu Anfang der Schlägerei von dem Fragment einer Suppenschüssel schmerzhaft am Damm getroffen worden war. Er lag in seinem Käfig und murmelte seufzend: charmanter Abend, charmanter Abend; unter Schockwirkung hatte er eine andere Platte aufgelegt.   - Raymond Queneau, Zazie in der Metro. Frankfurt am Main 1999 (zuerst 1959)

Serviette

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