elbstverständnis Die Nahua-Indianer nannten ihre Nachbarstämme popolaca = »Stammler« und mazahua = »die wie die Hirsche röhren«.
Ein Deutscher heißt auf russisch nemec; dieses Wort ist abgeleitet von nemoj = »stumm«; es handelt sich also um einen, der nicht sprechen kann. Das griechische Wort bárbaros für die Nicht-Griechen hat die Ausgangsbedeutung »stammelnd, lallend« und impliziert oft »ungebildet, roh, feige, grausam, wild, gewalttätig, habgierig, treulos«.
Die Hottentotten, ein Wort, das auf afrikaans soviel wie »Stotterer« bedeutet, nennen sich selbst k‘oi-n = »die Menschen«.
Auch für die Ainus ist ihr Stammesname identisch mit dem Wort für Menschen, wohingegen die Japaner sie emishi = »Barbaren« nennen.
Das gleiche gilt für die Kamtschadalen, die sich selbst als itelmen = »Menschen« bezeichnen, übertroffen nur von den Tschuktschen, für die feststeht, daß sie luorawetlan = »die wahren Menschen« sind.
Claude Levi-Strauss hat dieses universell verbreitete Selbstverständnis
so beschrieben: »Bekanntlich ist der Begriff ›Menschheit‹, der ohne Unterschied
der Rasse oder Zivilisation alle Lebensformen der Gattung Mensch einschließt,
ziemlich spät aufgekommen und wenig verbreitet... Die Menschheit endet an den
Grenzen des Stammes, der Sprachgruppe, manchmal sogar des Dorfes, so daß eine
große Zahl sogenannter primitiver Völker sich selbst einen Namen gibt, der ›Menschen‹
bedeutet (oder manchmal — mit etwas mehr Zurückhaltung — ›die Guten‹, ›die Hervorragenden‹,
›die Vollendeten‹), was gleichzeitig einschließt, daß die anderen Stämme, Gruppen
oder Dörfer keinen Anteil an den guten Eigenschaften — oder sogar an der Natur
— des Menschen haben, sondern höchstens aus ›Schlechten›, ›Bösen‹, ›Erdaffen‹
oder ›Läuseeiern‹ bestehen. Manchmal spricht man den Fremden sogar noch diese
letzte Stufe an Realität ab, indem man sie als ›Phantome‹ oder ›Erscheinungen‹
ansieht. - H. M. Enzensberger, Die Große
Wanderung. 33 Markierungen. Frankfurt am Main 1993
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