Selbstsicherheit  In Camarillo hat man mich zusammen mit drei anderen in ein Zimmer gesteckt, und jeden Morgen kam ein Assistenzarzt mit frisch gewaschenem rosigem Gesicht, daß es nur so strahlte. Sah aus wie der Sohn von Kleenex und Tampax, glaub mir. Ein ganz großer Idiot, der sich neben mich setzte, um mich aufzumuntern, mich, der ich sterben wollte, der ich an niemanden mehr dachte, nicht einmal an Lan. Und das Schönste war, daß der Typ sich beleidigt fühlte, weil ich ihm keine Beachtung schenkte. Er hat scheint's erwartet, daß ich mich im Bett aufsetze, voller Bewunderung für sein rosiges Gesicht, sein schön gekämmtes Haar und seine gepflegten Fingernägel, und daß es mir dann gleich besser geht, wie denen, die nach Lourdes kommen, ihre Krücken wegwerfen und nach Hause hopsen ...

Bruno, dieser Typ und alle anderen Typen in Camarillo waren überzeugt. Wovon, willst du wissen? Ich weiß es nicht, ich schwöre dir, aber sie waren überzeugt. Von dem, was sie waren, nehme ich an, von dem, was sie wert waren, von ihrem Diplom. Nein, das stimmt nicht ganz. Es gab einige, die waren bescheiden und hielten sich nicht für unfehlbar. Doch selbst der Bescheidenste fühlte sich sicher. Das war es, was mir auf die Nerven ging, Bruno, daß sie sich sicher fühlten. Sicher welcher Sache, möchte ich mal wissen, wo ich, ein armer Teufel mit mehr Seuchen unter der Haut als der Leibhaftige selbst, hinreichend beieinander war, um zu spüren, daß alles wie Gallert war, daß alles um uns herum wabbelte, man brauchte nur ein wenig aufmerksam zu sein, ein wenig in sich hineinzuhören, ein wenig zu schweigen, um die Löcher zu entdecken. In der Tür, im Bett: Löcher. In der Hand, in der Zeitung, in der Zeit, in der Luft: alles voller Löcher, alles wie ein Schwamm, wie ein Sieb, das sich selbst siebt...  - Julio  Cortázar, Der Verfolger. In: J. C., Südliche Autobahn. Die Erzählungen Band 2. Frankfurt am Main 1998

Selbstsicherheit (2)  Brussat war ein sauberer, tadellos gekleideter Mann. Davon zeugten sein penibel gestutzter Bart, sein elegantes, kleinkariertes Hemd, die einwandfreie Bügelfalte seiner Sommerhose, seine sorgfältig manikürten Hände. Und die Art, wie er vorsichtig einen Untersetzer unter das Glas Limonade schob, um das Ges ihn gebeten hatte, bevor er zur Sache kam. Und sein Tonfall, verhalten und diskret. Hätte Ges einen Blick ins Schlafzimmer geworfen, hätte er feststellen können, daß das Bett mustergültig gemacht war. Er fühlte sich in der Gegenwart dieses Mannes, der ihn ernst, mit heiterer Gelassenheit und ohne jede Furcht anschaute, unwohl. Er strahlte eine unangreifbare Autorität aus, eine absolute Immunität gegenüber jeglicher Aggression von außen. Körperlich war er nicht sehr stark, er hätte nicht einmal zwei Faustschlägen standgehalten, aber er war eine solche Persönlichkeit, daß er es gar nicht erst zu solchen Situationen kommen ließ. Er gehörte zu der Sorte von Menschen, die Ges nicht ausstehen konnte.  - Andreu Martín, Bis daß der Mord euch scheidet. Bühl/Moos - Baden-Baden 1992
 
 

 

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