Sektenname  »Das göttliche Erbarmen, dem ich so viele Gnaden verdanke, hat es mir gestattet, den wahren und geheimen Grund für den Namen der Sekte zu entdecken. In Kerioth, wo sie wahrscheinlich entstand, besteht ein Konventikel fort, der sich Dreißig Silberlinge nennt. Dieser Name war der ursprüngliche und gibt uns den Schlüssel in die Hand. Bei der Kreuzigungstragödie - ich schreibe es mit der schuldigen Ehrfurcht nieder- gab es freiwillige und unfreiwillige Mitwirkende, alle unentbehrlich, alle unglückselig. Unfreiwillig wirkten die Priester mit, die die Silbermünzen aussetzten, unfreiwillig das Volk, das sich für Barabbas entschied, unfreiwillig der Landpfleger von Judäa, unfreiwillig die Römer, die das Kreuz Seines Martyriums aufstellten und die Nägel einschlugen und das Los warfen. Einzig zwei Freiwillige gab es: den Erlöser und Judas. Dieser warf die dreißig Münzen von sich, die der Preis für die Erlösung der Seelen waren, und erhängte sich unmittelbar darauf. Zu der Zeit zählte er dreiunddreißig Jahre, wie der Menschensohn. Die Sekte verehrt die beiden gleichermaßen und spricht die anderen frei.

Es gibt keinen einzigen Schuldigen; es gibt niemanden, der nicht, ob wissentlich oder nicht, dem Plan gehorchte, den die Göttliche Vorsehung ersonnen hatte. Alle haben heute Teil an der Glorie.

Meine Hand sträubt sich, einen weiteren Greuel niederzuschreiben. Wenn die Eingeweihten das angegebene Alter erreichen, lassen sie sich verspotten und auf einer Bergkuppe kreuzigen, um dem Beispiel ihrer Meister nachzufolgen. Dieser verbrecherische Verstoß gegen das fünfte Gebot muß mit all der Strenge unterbunden werden, die die menschlichen wie die göttlichen Gesetze immer vorgeschrieben haben. Daß die Verwünschungen des Firmaments, daß der Haß der Engel...«  Das Ende des Manuskripts war nicht aufzufinden.   - Jorge Luis Borges, Die Sekte der Dreißig. In: J. L. B., Spiegel und Maske. Frankfurt am Main 2000

Name Sekte

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