eestern  Ich bin ein Seestern und liege zuunterst in meinem Taschentuch. Meine fünf Arme sind an das Gewebe gepreßt, ich bin ganz matt. Das Tuch ist naß, auf mir liegen andere nasse Sterne - dennoch kenne ich nur ein quälendes Verlangen: Wasser!

Und ich bin eine Leiche, liege auf feuchter Wiese. Sprießendes Frühjahr! Über mir im Blauen strahlt die Sonne warm auf mich herab. Mich schauert. Ich rieche meinen eigenen Verwesungsduft, deutlich. Ach, wie sich dieser Geruch mir zunehmend aufdrängt! Die Sonne wird bittergelb, zitronengrünlich, als grinse sie schadenfroh. Ich versuche erst gar nicht zu fliehen, mich in den Schatten zu retten. Ich weiß: Bin eine Leiche, es wird Sommer, und ich muß mich von der Somnne langsam zerfressen lassen, ohne mich nur rühren zu können. Kann ja nicht einmal mehr das Gesicht verziehen. --- Da huscht ein Schatten an mir vorbei, es wird milchig vor mir, ich hörte ganz nah meinen Namen, ich spürte, daß meine Augen offen sind, daß ich gerträumt habe. Undeutlich erkenne ich den Kesselraum wieder, konnte mir nur gar nicht erklären, wieso es so neblig vor mir war.

Mein Traum tauchte im Bewußsein auf. O dieser Leichengeruch ... Natürlich! Die Totenbahre! Ich will aufspringen. Da:

Entsetzen erstarrt in mir, schließt meine halboffenen Lider, preßt den Atem in die Brust zurück: Gott!! Ich habe keine Arme mehr, ich habe an ihrer Stelle zwei Seesternfänge!! -

Unmöglich, das gibt es doch gar nicht. Ich bin doch wach! Ich werde mir meine Albernheit beweisen: mühsam bewege ich den einen Arm, um den andern anzufassen. O wie schwer und schleppend er sich hebt, wie voll Wasser, ohne Knochen. Ich fühle es ganz deutlich: kalt und biegsam - Unsinn. Endlich - ich berühre den andern Arm:  Eiskalt!!  - Wieland Herzfelde, Tragigrotesken der Nacht. Berlin 1920 (Malik)

 

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