eemannsliebe  Das Kaperschiff stand in einem sonderbaren Verhältnis zum Staate: Es war eine Art anerkannter Seemannsliebe, eine Ehe zur linken Hand, beiderseits mit leidenschaftlicher Hingebung geführt. Wenn sie nicht am Rock die Abzeichen und das Tressengold der rechtmäßigen Verbindung trug, dann trug sie mindestens den brennend roten Kuß der dänischen Krone auf ihren Lippen und besaß die Freiheit der Geliebten, ihren Herrn durch wilde Launen zu entzücken, wie sie einer Herrscherin im Traum nicht einfallen. Die königliche Flotte selbst - von jenen in der schrecklichen Septemberwoche aus Kopenhagen entführten Schiffen ein kläglicher Rest - ließ das Geschwader der Kaperschiffe ruhig gewähren wie ein guter Kamerad. Es war eine große Zeit für tapfere Männer. Da donnerten noch einmal Kanonen in den dänischen Gewässern, hier und dort, oft, wo man sie am wenigsten erwartet hatte, denn die Kaperschiffe arbeiteten sehr selten zusammen; jedes von ihnen führte Krieg auf eigene Faust. Unerhörte Heldentaten wurden vollbracht, große Prisen wurden buchstäblich unter den Geschützen der Geleitfregatten weggeschnappt und in den Hafen gebracht von den triumphierenden wilden kleinen Booten, deren Tau- und Segelwerk in Fetzen herabhing und die ein Freudengeschrei begrüßte.  - (blix)

Seemannsliebe (2)  Max  hatte während der Überfahrt, wenn er sich mit mir über Liverpool unterhielt, mir oft versichert, die Stadt habe die Ehre, eine Gemahlin von ihm zu beherbergen, und aller Wahrscheinlichkeit nach würde ich das Vergnügen haben, sie zu sehen. Nachdem ich aber eine ganze Menge Geschichten über die Bigamie der Seeleute und ihre Frauen und Liebchen in jedem Hafen rund um die ganze Welt gehört hatte und Augenzeuge eines ehelichen Abschiedes zwischen demselben Max und einer Dame in New York gewesen war, hatte ich diesen seinen Bericht für das gehalten, was er mir vernünftigerweise wert zu sein schien. Wie groß war also meine Überraschung, als ich diese wirklich anständig und bürgerlich aussehende Frau mit einem sauberen Paket, das von Max' Landkleidung alles enthielt, gewaschen, geplättet und in Falten gelegt, sofort zum Anziehen bereit, ankommen sah.

Sie standen ein paar Minuten abseits und gaben sich den Äußerungen der Freude hin, die, wie ich annehme, stets nach einer langen Trennung zwischen Mann und Frau ausgetauscht werden.

Schließlich ging Sally nach vielen ernsten Erkundigungen, wie er sich in New York aufgeführt habe und wie es mit dem Zustand seiner Garderobe bestellt sei, hinab ins Vorderkastell, um sich in eigner Person zu überzeugen, und nachdem sie ihr Bündel sauberer Kleidungsstücke gegen ein solches mit schmutzigen ausgetauscht hatte, ging sie wieder davon. Und das war genau das gleiche, was vor dreißig Tagen die Frau in New York für Max getan hatte.

Solange wir im Hafen lagen, besuchte Sally die „Highlander" täglich und erwies sich als sauber und geschickt im Ausbessern von Jacken und Hosen, als eine erstklassige Schneiderin und, soweit ich sehen konnte, als sehr ordentliche, anständige und achtbare Frau.

Aber nach allem, was ich von ihr gesehen hatte, mußte ich annehmen, daß Meg, die New Yorker Ehefrau, ebenso anständig, ordentlich und achtbar und ebenso darauf bedacht war, Max' Garderobe gut in Ordnung zu halten.

Und als wir England schließlich verließen, sagte Sally Max Lebewohl, genau wie Meg es getan hatte, und als wir in New York ankamen, begrüßte Meg Max genauso, wie Sally ihn in Liverpool begrüßt hatte. Tatsächlich hat nie ein Paar liebenswerterer Ehefrauen zu einem Mann gehört. Sie hatten nie Streit oder sonst eine Meinungsverschiedenheit, da ja der ganze breite Atlantik zwischen ihnen lag und Max in gleicher Weise höflich und gut zu ihnen beiden war. Viele Jahre lang war er auf Fahrten zwischen Liverpool und New York gewesen. Mit großer Regelmäßigkeit kreuzte er zwischen Ehefrau und Ehefrau und war eines herzlichen häuslichen Willkommens auf beiden Seiten des Ozeans sicher.  - Herman Melville, Redburn. Seine erste Reise. In: H. M., Redburn. Israel Potter. Sämtliche Erzählungen. München 1967 (zuerst 1849)

Seemannsliebe (3)  Kapitän Cat an seinem Fenster, das weit offen steht für die Sonne und die SegelschifFsee, die er vor langer Zeit befahren hat, als seine Augen blau und blank waren, schlummert und ist auf großer Fahrt. Schlingernd und mit Ringen in den Ohren, mit den Worten Ich liebe dich, Roste Probert! auf seinen Bauch tätowiert, rauft er mit zerbrochenen Flaschen im Rauch und Babel der dunklen Hafenkneipen, treibt sich mit einer Herde von flotten und hühotten Kühen in jedem niedrigen, trächtigen Hafen umher, und spleißt und trinkt mit den Ertrunkenen, und salzt sich ein mit den Toten mit struppiger Brust. Und im Schlummer kommt ihm der Kummer, er weint und fährt.

Eine Stimme vor allen steigt ihm aus dem Herzensgrund, wenn seine Traumeimer tiefer schöpfen. Die träge frühe Rosie mit dem flachsblonden Strohdach, die er mit Tom-Fred, dem Hilfsmaschinisten, und manchem anderen Seemann geteilt hat, spricht zu ihm deutlich und nah aus der Schlaf kammer ihres Staubes. In diesem Golf und Hafen haben haufenweise Flotten geankert, sie kamen weither aus allen Reichen ins enge Himmelreich ihrer Nacht. Aber sie spricht jetzt nur zu einem, zum eingenickten Kapitän Cat. Denn Mrs. Probert . ..

ROSIE PROBERT  aus dem Entengäßchen, Jack. Mußt zweimal quaken, und nach Rosie fragen,

... ist die einzige Liebe seines Seelebens, das sardinenvoll von Frauen war.

ROSIE PROBERT (sanft)
Was für Seen hast du gesehn,
mein Tom Kater, Tom Cat,
in deinen Seefahrertagen
vor langer Zeit?
Was für Seetiere waren
Im welligen Grün,
als du mein Käptn warst?

KAPITÄN CAT
Ich sag dir die Wahrheit.
Ich hab Seen gesehn,
die bellten wie Seehunde,
blau und grün,
Seen voll von Aalen,
Meermännern und Walen.

ROSIE PROBERT
Was für Seen hast du befahren,
alter Walfänger,
du in deinen walfetten Jahren
zwischen Wales und Peru,
als du mein Maat warst?

KAPITÄN CAT
So wahr ich hier steh,
du, Tom Cats liebste Nutte,
du Landratte Rosie,
du Lose, du Gute,
meine leichteste Prise,
mein wahrer Schatz,
Seen, grün wie Bohnen,
Seen gischtweiß von Schwänen
im Mondlicht, wo die Seehunde wohnen!

ROSIE PROBERT
Welche Seen wiegten dich,
mein kleiner Schiffsjunge,
mein Lieblingsmann
voller Seelöwenhunger?
Mein gestiefelter Entrich,
mein Walfischfänger,
mein Süßer, mein Pappchen!
Mein Zuckerschnutseemann,
auf dem Bauch meinen Namen,
als du noch ein Boy warst? —
Lang, lang ist's her.

KAPITÄN CAT
Ich will dich nicht belügen,
ich sah nur ein Meer;
das Immermehr,
und du reitest die Wogen!
Leg dich nieder, laß mich landen,
laß mich scheitern in deinen Lenden.

ROSIE PROBERT
Klopf zweimal, Jack,
an die Tür von meinem Grab
und frag nach Rosie.

KAPITÄN CAT
Rosie Probert.

ROSIE PROBERT
Denk an sie.
Sie vergißt.
Die Erde, die ihren Mund füllte,
entschwindet ihr.
Denk an mich.
Ich habe dich vergessen.
Ich gehe ins Dunkel des ewigen Dunkels.
ich habe vergessen, daß ich jemals geboren bin.

  - Dylan Thomas, Unter dem Milchwald. Ein Spiel für Stimmen. Nachdichtung von Erich Fried. Heidelberg 1954

 

Seemann Liebe

 

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