eelengesang ICH MUSS MEINE SEELE RASIEREN, DENN SIE IST haarig geworden wie ein Meerschwein — der Schorf meiner Sünden riecht zum Himmel wie Aussatz, der eitert. In jede Kotlache fall ich, mein Blut treibt mich in die Bordelle, niederträchtig lechz ich nach der Lücke der Leere. Aber die Huren toben ihre Keuschheit an mir aus. Immer schlagen Unterröcke über meinem Kopf zusammen, ich kann mein Fleisch nicht züchtigen, nie es in Zucht halten. Schnäbeln sich irgendwo zwei Tauben, beneid ich sie um ihr Gurren und Rucken. Und eine große Hurenfut, die wird mein Grab wohl sein. Wiedergeboren werd ich als Wurm in der Scheide einer Elefantenkuh.
Warum stürz ich in die Falle, wer ist der Stiertreiber? Ich schaudre vor
den Wirbeln des Geschlechtswahns. Schmerzhaft, wie gepeitscht vom Ochsenziemer
eines Hurentreibers, rast mein Blut, rast mein Hirn, wem frommt meine Wollust,
kann ein Elender einen Erlöser zeugen?! Rein entspringt der Messias wie der
Quell am Berg, ich aber begeh alle Laster, vorn geplünderten Haupt bis zu den
strotzenden Hoden bin ich getaucht in Schmutz. Die Mütter sind mir ein lästiger
Aufenthalt, ich spring nach den Töchtern von Rinnsal zu Rinnsal, bis ich im
Triumph erreich die Kloake des Schweißes Wer gab mir die Seele des Engels und
Teufels, wer schuf mir den Leib des Scheusals und haarigen Fauns? Ich weine
Gelächter über den Sonnensamen im Rinnstein. Mitten im Gleichmaß der Rhythmen
such ich den haarigen Ort, Memnons Säule versteift sich im Spalt, innen rieselt
Seelengesang. - Albert Ehrenstein, Briefe an Gott,
nach A.E.: Gedichte
und Prosa. Neuwied u.a. 1961
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