Schwesterchen  Sie war ungefähr dreizehn oder vierzehn Jahre alt, von berückender Schönheit und schlank wie eine Weide. Als der Kranke sie sah, da hatte er alle Schmerzen vergessen und wurde munter im Geist.

Der Jüngling sprach zu seiner Schwester Giauna: „Dies ist mein bester Freund, den ich wie einen Bruder liebe. Ich bitte dich, Schwesterchen, seine Krankheit zu heilen!"

Das Mädchen errötete verlegen; dann trat sie an das Krankenbett. Während sie ihm den Puls fühlte, da war es ihm, als entschwebten ihr Orchideendüfte.

Das Mädchen sagte lachend: „Kein Wunder, daß er diese Krankheit hat! Sein Herz schlägt allzu ungestüm. Die Krankheit ist schlimm, aber nicht unheilbar. Nur hat sich das geronnene Blut schon angesammelt, da gehts ohne Schneiden nicht ab."

Damit nahm sie ihre goldene Armspange vom Arm und legte sie auf die schmerzende Stelle. Ganz sachte drückte sie sie nieder, und die Geschwulst erhob sich wohl einen Zoll hoch über den Armring hinauf, so daß die ganze Geschwulst von dem Armring umschlossen war. Dann machte sie das Federmesser von ihrem seidenen Gürtel los, das eine Schneide hatte, so dünn wie Papier. Mit der einen Hand hielt sie den Ring, mit der andern Hand nahm sie das Messer und fuhr ganz leicht am Ring unten herum. Schwarzes Blut quoll heraus auf Bett und Matte. Aber der junge Kung war so entzückt von der Nähe der schönen Giauna, daß er nicht nur keine Schmerzen fühlte, sondern nur fürchtete, die Sache möchte bald zu Ende sein und sie aus seiner Nähe verschwinden. Im Augenblick war das faule Fleisch abgeschnitten. Dann ließ sie Wasser kommen und wusch die Wunde rein. Sie nahm aus dem Mund eine kleine rote Kugel hervor und legte sie in die Wunde. Sie drehte sie einmal im Kreise, da war es ihm, als führe die Hitze in Dampf und Flammen heraus. Sie drehte sie noch einmal, da zuckte und juckte es, und als sie sie zum drittenmal gedreht hatte, da war er wieder vollständig heil.

Das Mädchen nahm die Kugel wieder in den Mund und sagte: „Es ist gut."  - (chm)

 

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