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Schweinerei (2)
ANNA HÄLT BEI PAULE LEICHENWACHE Paule war gestorben Natürlich wurde es auch noch dazu Nacht Es hatte sich natürlich gerächt Natürlich konnte er jetzt wieder nichts dafür! Jetzt verzog er sich hinter seiner Leichenstarre |
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Schweinerei (3) Aus einem Tanzlokal, an dem ich vorüberkam, scholl mir, heiß und roh wie der Dampf von rohem Fleisch, eine heftige Jazzmusik entgegen. Ich blieb einen Augenblick stehen; immer hatte diese Art von Musik, so sehr ich sie verabscheute, einen heimlichen Reiz für mich. Jazz war mir zuwider, aber sie war mir zehnmal lieber als alle akademische Musik von heute, sie traf mit ihrer frohen rohen Wildheit auch bei mir tief in die Triebwelt und atmete eine naive redliche Sinnlichkeit.
Ich stand einen Augenblick schnuppernd, roch an der blutigen
grellen Musik, witterte böse und lüstern die Atmosphäre dieser
Säle. Die eine Hälfte dieser Musik, die lyrische, war schmalzig,
überzuckert und troff von Sentimentalität, die andre Hälfte war
wild, launisch und kraftvoll, und doch gingen beide Hälften naiv
und friedlich zusammen und gaben ein Ganzes. Untergangsmusik
war es, im Rom der letzten Kaiser mußte
es ähnliche Musik gegeben haben. Natürlich
war sie, mit Bach und Mozart und wirklicher Musik verglichen,
eine Schweinerei - aber das war all unsre Kunst, all unser Denken,
all unsre Scheinkultur, sobald man sie mit wirklicher Kultur
verglich. Und diese Musik hatte den Vorzug einer großen Aufrichtigkeit,
einer liebenswerten unverlogenen Negerhaftigkeit und einer frohen,
kindlichen Laune. Sie hatte etwas vom
Neger und etwas vom Amerikaner, der
uns Europäern in all seiner Stärke so knabenhaft frisch und kindlich
erscheint. - Hermann Hesse, Der Steppenwolf.
München 1963 (dtv 147, zuerst 1927)
Schweinerei (4) Der menschliche Kot
wurde vom Patienten zu onanistischen Zwecken verwendet, und zwar direkt als
Gleitmittel, quasi als Seifenersatz. In der die Onanie
begleitenden Phantasie sah Patient eine Anzahl von fetten Schweinen,
die er untereinander sexuellen Verkehr ausüben ließ und denen er dann, als »Höhepunkt«,
das Fett »abzapfte«, worauf sich der Orgasmus einstellte. - (
erot
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Schweinerei (5) Schlottrig, wie der Vater war, schien
er noch mehr zu schlottern, sooft er die tiefen Felstrichter in dem Berg erwähnte,
auf deren Grund auch im Sommer der Schnee lag. Er hatte viel Angst gehabt, doch
seine Hauptangst war es gewesen, und war es auch jetzt noch, er könnte einen
Menschen getötet haben. Seine zahlreichen Wunden, am Schienbein, am Schenkel,
an der Schulter, zeigte er voll Gleichmut — nur wenn die Rede, immer wieder,
auf jenen Italiener kam, auf den er einmal, auf Geheiß, angelegt hatte, verlor
er die Fassung. »Ich habe über ihn hinweggezielt«, sagte der Vater, »aber auf
meinen Schuß hin ist er in die Höhe gesprungen, so,
mit ausgestreckten Armen, und dann habe ich ihn nicht mehr gesehen.« Diesen
einen Moment erzählte er mit geweiteten Augen wieder und wieder; denn der andre
sprang auch nach dreißig, vierzig, fünfzig Jahren immerzu in die Luft, und es
würde nie sicher sein können, ob er sich danach in seinen Graben fallen ließ
oder kopfüber hineinstürzte. »Schweinerei!« sagte er und wiederholte den Fluch
auf slowenisch, »Svinjerija!«, so als sei diese Sprache doch der bessere Ausdruck
seiner Wut auf die Geschichte, die Welt
und das Erdendasein.
- Peter Handke, Die Wiederholung. Frankfurt am Main
1992 (zuerst 1986)
Schweinerei (6)
Schweinerei (7) Das Fernsehen
interessierte ihn weniger. Er verfolgte jedoch mit klopfendem Herzen die wöchentliche
Sendung Das Leben der Tiere. Die Gazellen und die Damhirsche, anmutige
Säugetiere, verbrachten ihre Tage in Angst und Schrecken. Die Löwen und die
Panther lebten in einem Zustand stumpfsinniger Lethargie, der durch momentane
Ausbrüche von Grausamkeit unterbrochen wurde. Sie töteten, zerfleischten und
verschlangen die schwächsten Tiere, die alt oder krank waren; dann verfielen
sie wieder in einen Dämmerzustand, der nur durch die Angriffe der Parasiten
belebt wurde, die sie von innen verschlangen. Manche Parasiten wurden selbst
von noch kleineren Parasiten angegriffen; und letztere waren ihrerseits ein
fruchtbarer Nährboden für die Viren. Die Echsen
und Schlangen glitten zwischen den Bäumen hindurch und bohrten ihre Giftzähne
in Vögel und Säugetiere; es sei denn, sie wurden plötzlich vom Schnabel eines
Raubvogels zerstückelt. Claude Dargets dümmliche, theatralische Stimme kommentierte
diese furchtbaren Bilder mit einem Ausdruck nicht zu rechtfertigender Bewunderung.
Michel bebte vor Empörung und spürte auch dabei, wie in ihm eine unerschütterliche
Überzeugung heranreifte: Im ganzen gesehen war die ungezähmte Natur nichts anderes
als eine ekelhafte Schweinerei; im ganzen gesehen rechtfertigte die ungezähmte
Natur eine totale Zerstörung, einen universellen Holocaust - und die Aufgabe
des Menschen auf der Erde bestand vermutlich darin, diesen Holocaust durchzuführen.
- Michel Houellebecq,
Elementarteilchen. München 2001 (zuerst 1998)
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