Schwein, armes  Der langhaarige Penner hieß Rodrigo Rodriguez, aber alle nannten ihn Rodri. Er lebte davon, in den Müllcontainern rumzuwühlen und ein paar Lumpen und Kartons zusammenzusuchen. Er führte dauernd Selbstgespräche, hatte permanent schlechte Laune und kaute ununterbrochen auf seinen eigenen quälenden Gedanken rum.

Eines Abends betrat er die Kneipe, suchte sich unter allen Gästen Sánchez aus und steuerte auf ihn zu.

„Gibst du mir 'nen Wein aus?" grunzte er.

Rodri stank, seine Klamotten standen vor Dreck und glänzten. Seine speckige Schmutzschicht wirkte wie ein wasserdichter Anzug. Er ging immer leicht gekrümmt, das zottelige Haar hing ihm ins Gesicht, und von Zeit zu Zeit machte er eine feminine Handbewegung, um die Zotteln aus dem Gesicht zu streichen. Das Gesicht, das dann zum Vorschein kam, war so verrußt, daß man meinen konnte, er würde in einer Kohlengrube arbeiten. Aber ganz wider Erwarten redete Rodri klar und deutlich. Man mußte überrascht feststellen, daß er geistig nicht zurückgeblieben war.

„Du, Mann, spendierst du mir 'nen Wein?"

Carlitos Moll warf sich in die Brust, bereit, diesen Penner mit Gewalt rauszuschmeißen. Rodri wandte ihm sein spitzes Gesicht zu und schoß messerscharfe Blicke in seine Richtung.

Sánchez dachte, daß Rodri aussah wie ein wildes Tier. Deshalb griff er ein.

„Warte! Laß ihn in Ruhe", sagte er zu Moll. „Er soll ruhig herkommen. Aber du willst doch nicht etwa Wein trinken, Kumpel. Trink lieber 'nen anständigen Whisky."

Rodri dachte nach. Er war mißtrauisch.

„Was ist, Mann? Magst du keinen Whisky?"

Schließlich sah der Penner ein, daß er sich wohl oder übel mit dem zufrieden geben mußte, was man ihm anbot. Na gut, dann eben eine Pulle Whisky. Aber seine Augen hinter den zotteligen Haarsträhnen blitzten wütend und drohend.

„Ich bin nicht irgend so'n armes Schwein, damit du's weißt..." sagte Rodri und ballte die Fäuste. „Ich bin kein armes Schwein..." Ihm fehlten die Worte, aber er kochte vor Wut.

Sánchez wollte dieses wilde Tier bändigen. Und er konnte es, denn er hatte Geld, jede Menge Geld sogar, und dieser Langhaarige konnte sagen, was er wollte, er war ein armes Schwein.    - Andreu Martín, Hammerschläge. Bühl-Moos u. Baden-Baden 1991

 

Schwein

 

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