chwarzmarkt Chester-?,
murmelte ich harschen Atems, fast unhörbar, als ich an diesem so verdächtigen
Emil vorbeiging. Logisch!, sagte er mit dem ordinären peitschigen „l" des
Wiener Slangs. Was verlangst?, versuchte ich „lässig" (in-Symbol
der damaligen Jugend) zu fragen; ich hatte noch nie eine Amizigarette im Maul
gehabt. Emil ließ wirklich eine Packung bißl aus irgendeiner der vielen Ami-Coat-Taschen
hervorrutschen. Ich tippte hin und Emil klapste mir auf die Finger, „hello!"
sagend und auf Wiener Amerikanisch den Preis nennend. Vor der genannten Summe
rannte ich davon. Ich sah mich nicht um, denn ich hatte Angst, daß Emil mir
nachschießen würde. Aber er stand wohl gleichmütig auf seinem Fleck und schob
sich eine Tafel Pepsi-Gum in den Mund, die nach Abgabe der ersten Rechteckhärte
und der ersten Zuckerschicht sich unter gutem, befremdlichem Chemiegeschmack
zu einer schlatzweichen Kugel zusammengatschen ließ.
Ich hätte, mich jetzt umdrehend, Gelegenheit gehabt, Emil noch einmal auf
seiner Erdenbahn zu sehen. Am nächsten Tag stand er in der Zeitung, vor allem
dem „Volksblatt". „Unbekannte" hatten ihm Teddy und Aktentasche entrissen
und den restlichen Emil dann mit einem Sparkanister Benzin (blitzschnell über
die schlechtere Oberhälfte geschüttet) bis hart an den Rand der Erkenntlichkeit
zerbrannt. - (met)
Schwarzmarkt (2) Was die berüchtigte Femina für die Berliner Zigaretten-schwarzmarktkreise, ist die Chicago für die Doper-Szene. Während aber die Femina normalerweise um die Mittagszeit ihren Betrieb aufnimmt, beginnt es in der Chicago erst nach Eintritt der Zehn-Uhr-Ausgangssperre hoch herzugehen. Slothrop, Säure, Trudi und Magda betreten die Bar durch einen Hintereingang in einem Gebirge aus Ruinen und Finsternis, in dessen Nachtlandschaft nur hier und da einsame Lichter brennen. Innen wimmelt es von Medical Officers und Sanitätern, die Flaschen voller flockig-weißer, kristalliner Substanzen, klare Ampullen in der Größe von Glasmurmeln, kleine rosa Pillen umklammern. Besatzungsgeld und Reichsmarks knittern und flap-pen durch den Raum. Einige der Schieber sind ganz chemischer Enthusiasmus, andere ganz Geschäft. Die Wände sind mit großformatigen Photos von John Dillinger dekoriert, allein, mit seinen Kumpanen, seiner Mutter, seinem Maschinengewehr. Lichter und Debatten werden auf Sparflamme gehalten, für den Fall, daß draußen eine MP-Streife vorbeikommt.
Auf einem Stuhl mit geflochtener Lehne sitzt ein amerikanischer Matrose vom Äußeren eines Orang-Utans und zupft mit klobigen, behaarten Händen friedlich auf einer Gitarre. In Dreivierteltakt und Country-Style singt er:
DES DOPERS TRAUM Mir träumte heut nacht, ich steckte tief drin |
- Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei
Hamburg 1981
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