Schwarzes Loch (2) Die gefangenen Engländer wurden der Willkür der Wachen überlassen, und diese beschlossen sie für die Nacht in das Gefängnis der Garnison einzusperren, einer unter dem schrecklichen Namen "der schwarzen Höhle" bekannten Stube. Dieses Gefängnis würde für einen einzigen europäischen Verbrecher unter einem solchen Klima sogar zu klein und eng gewesen sein. Der Raum beschränkte sich auf zwanzig Quadratfuss. Die Luftlöcher waren schmal und verstopft. Dabei war es um die Zeit des Sommersolstitiums, einer Jahreszeit, wo die glühende Hitze Bengalens für Engländer kaum erträglich zu machen ist durch luftige Hallen und durch beständig in Bewegung erhaltene Fächer. Die Zahl der Gefangenen belief sich auf hundertundsechsundvierzig. Als ihnen befohlen wurde in die Zelle einzutreten, hielten sie dies für einen Scherz der Soldaten; und da sie guten Mutes waren, weil der Nabob ihnen das Versprechen gegeben hatte, ihres Lebens zu schonen, lachten und scherzten sie über einen so tollen Einfall. Aber bald erkannten sie ihren Irrtum. Jetzt machten sie Vorstellungen, sie klagten; sie baten und flehten. Indessen alles umsonst. Die Wachen drohten jeden, der zögere, hineinzugehen, niederzustossen. Mit gezogenen Schwertern wurden die Gefangenen in die Zelle hineingetrieben, und die Thür augenblicklich hinter ihnen zugeschlagen und verriegelt.
Nichts, was in der Geschichte oder Dichtung geschildert wird,
nicht einmal die Erzählung, welche Ugolino, nachdem er sich die
blutigen Lippen an der Kopfhaut seines Mörders abgewischt hat,
in dem von ewigem Eise starrenden Meere erzählt, — ist auch nur
annähernd den Schrecken zu vergleichen,
wie sie von den wenigen Ueberlebenden jener Nacht geschildert
werden. Sie flehten um Gnade. Sie versuchten die Thür zu sprengen.
Holwell, der selbst in dieser aufs Aeusserste gestiegenen Not
einige Geistesgegenwart bewahrte, bot den Kerkermeistern grosse
Geschenke an. Aber die Antwort lautete, dass ohne die Befehle
des Nabobs nichts geschehen könne; dass aber der Nabob schlafe
und in Zorn geraten würde, wenn jemand es wagen wollte ihn zu
wecken. Die Gefangenen gerieten vor Verzweiflung in eine wahre
Raserei. Sie traten einander zu Boden, kämpften um die Stellen
an den Fenstern, und um den kärglichen Vorrat von Wasser, womit
die grausame Barmherzigkeit der Mörder ihrer Todesqualen spottete.
Sie tobten, beteten, fluchten und flehten die Wachen an, mit
dem Gewehr unter sie zu feuern. Während dieser Scenen traten
die Kerkermeister mit brennenden Kerzen an die Gitter und brachen
in schallendes Gelächter aus über die verzweifelten Anstrengungen
ihrer Opfer. Endlich verstummte der Tumult; nur noch leise Wehklagen
und gepresste Atemzüge waren zu vernehmen. Der Tag brach an.
Der Nabob hatte seinen Rausch verschlafen und gestattete die
Thür zu öffnen. Aber es dauerte längere Zeit, bis die Soldaten
durch die Haufen der Toten für die Ueberlebenden einen Weg gebahnt
hatten; bis die Leichname, an denen das glühende Klima bereits
sein ekelhaftes Werk begonnen hatte, zu beiden Seiten aufgeschichtet
waren. Als endlich ein Durchgang hergestellt war, wankten dreiundzwanzig
geisterhafte Gestalten, die von ihren eigenen Müttern nicht mehr
erkannt sein würden, eine nach der andern aus diesem Totenhause
hervor. Augenblicklich wurde eine Grube aufgeworfen und die Körper
der Umgekommenen, hundertdreiundzwanzig an der Zahl, wurden durcheinander
hineingestürzt, und mit Erde überdeckt. - Macauley, nach
(
hel
)
Schwarzes Loch (3)
KNIENDER
So küß ich, bin ich gleich von Haus aus Demokrat,
Dir doch,
Tyrann, voll Danckbarkeit die Klauen.
Mephisto als ZEREMONIENMEISTER
Die Klauen! das ist für einmal!
Du
wirst dich weiter noch entschließen müssen.
KNIENDER
Was fordert denn das Ritual?
ZEREMONIENMEISTER
Beliebt dem Herrn, den hintern Teil zu küssen!
KNIENDER
Darüber bin ich unverworrn,
Ich küsse hinten oder vorn.
[Satan wendet sich]
Scheint oben deine Nase doch
Durch alle Welten vorzudringen,
So seh
ich unten hier ein Loch,
Das Universum
zu verschlingen.
Was duftet's aus dem kolossalen Mund!
So wohl kanns nicht
im Paradiese riechen,
Und dieser wohlgebaute Schlund
Erregt den Wunsch
hineinzukriechen.
Atemlose Stille. Dann frenetischer Aufschrei der Menge
Was soll ich mehr?
SATAN richtet sich auf, wendet sich um
Vasall, du bist erprobt!
Hierdurch
beleih ich dich mit Millionen Seelen.
Und wer des Teufels Arsch so gut wie
du gelobt,
Dem soll es nie an Schmeichelphrasen fehlen.
- (
goe
)
Schwarzes Loch (4) Ein großes Schwarzes Loch sieht eher rot als schwarz aus, da das Licht, das einen außen stehenden Beobachter von der Schicht knapp über dem Ereignishorizont erreicht, bei dem Versuch, dem Schwerefeld zu entkommen, viel Energie verloren hat, wodurch sein Farbspektrum in Richtung rot verschoben ist.
-
(bar2)
(Bild: NASA)
Schwarzes Loch (4) Rosalba erstarrt vor Grauen. Ein Grauen, das die Augen nicht schließen läßt, sie hält sie unbewegt aufgerissen, leuchtend und still wie graue Tümpel. Rosalbas Augen umfassen in ihrem Rund das ganze Universum, und im Mittelpunkt des Universums ist das schwarze Loch. Und aus dem schwarzen Loch windet sich mit ein wenig Anstrengung etwas heraus, besitzt jedoch die weiche Geschmeidigkeit der Katzen, wenn sie durch die Löcher an den Türecken schlüpfen. Eine graue glitschige Gestalt bringt Kopf, Hals und Leib hervor. Denn obwohl grau und glitschig und deshalb vom Hintergrund des Fußbodens und der Wand nicht zu unterscheiden, kann man doch während ihres Fortbewegens den Kopf, dann den Hals und auch den Leib deutlich erkennen. Aber was heißt deutlich erkennen! Sei's wie's mag, man kann sehen oder fühlen, daß die Gestalt einen Kopf, einen Hals und einen Leib besitzt. Dennoch (ist die Relation nicht klar, tut's auch nichts) handelt es sich um ein Tier. Um das Tier. Aber bei den Dingen, die uns mit einem aufmerksamen, kleinlichen Grauen erfüllen, bei den ungeheueren und unerhörten Dingen trifft es einfach nicht zu, daß man sie bis in alle Einzelheiten wahrnehmen kann. Also kann man auch nicht genau sagen, wie dieses Tier beschaffen ist: aber es hat harte hörnerne und zusammengekniffene Augen wie die blinden Tiere, trübe und verschleierte Augen wie die Trichinen, eine glitschige und zarte Schnauze und überlange, feine, in der Luft erzitternde Barthaare. Näher betrachtet, zitterte auch das Mäulchen, mehr noch als bei den Kaninchen, und die ganze Gesichtshaut erschauerte. Man muß das so ausdrücken, denn der Kopf des Tieres, aufgerichtet über einem langen Hals und mit Furchen in der Glitschigkeit, hatte irgendwie etwas Menschliches. Die Augen blickten gerade nach vorn, nicht zur Seite, wichen nicht aus. Der Leib . . . wer weiß schon was vom Leib? Doch konnte man gut und gern die allgemeine Form erahnen. Das Tier war ein Kopf, wie auch gewisse Menschen eine Nase sind. Ein monströser Köpf, zart und sensibel wie . . . Gefunden! Wie der Kopf der Hündlinge! Vorgereckt, das Tier blind. Oh, Rosalba begriff vom ersten Augenblick an, daß es sich nach ihr reckte! Nichts begreift man besser als die Absichten von unseresgleichen (warum es nicht als ein Unseresgleichen bezeichnen?), wenn sie überhaupt nicht ausgedrückt werden. Sagt einer, «ich will dich umbringen», kann er auch darunter etwas anderes verstehen, doch wie schnell merkt man, wenn einer dich umbringen will und es gar nicht sagt!
Vorgereckt und fest, doch ohne jede Eile kam es voran mit der Gelassenheit
von Wesen, die ihrer selbst sicher sind. - Tommaso Landolfi, Der Tod des
Königs
von Frankreich. Nach
(land)
Schwarzes Loch (5) »Als ob sie ihm Gebete vorsagte: so endlos lange Litaneien, die gar nicht mehr aufhören, wo dir der Magen schließlich bis auf die Knie runterhängt, länger als der Rosenkranz am Weihnachtsabend ...«
Als ob sie ihn heimlich instruieren wollte, mhm, über gewisse Vorhaben oder Umstände oder Verpflichtungen oder günstige Gelegenheiten, oder Schwierigkeiten oder Verhandlungen oder Kniffe... So sprach die Zamira damals mit ihm, dem Diomede, mit dem Augenrollen und dem galoppierenden Mundwerk eines Außenministers, über ein neues aber schon bekanntes Finanzunternehmen, wenn er, mit neuen Wörtern, im Flüsterton sich dem bevorzugten Botschafter mitteilt, ihn ›zur Seite nimmt‹: und indes die andern überwacht und in angebrachter Distanz und Untertänigkeit sich vom Leibe hält: die ihrerseits alle eine Miene zur Schau tragen, als ob sie sich über ihn lustig machten, mit ihren Blicken, ihrer ruhigen Sicherheit von Füchsen, in allen Künsten abgefeimten Füchsen: gesättigt, das feine Schnäuzchen von subtilen Operationen: den Schwanz voll vorsichtiger Erfahrungen und den Rücken voll unvergessener Prügel.
Im zahnlosen Mund das schwarze Loch: wohinein sie, zwischen
Wort und Wort, den bereits abgesonderten Speichel
zurücksog mit einer Art feuchten Lispelns, aus dem
die R's widerwillig heraussprudelten: wie vom Strudel zurückgeholt, was die
Welle bereits vorgeschwemmt hatte. Eine Stauung von kleinen, zartesten Bläschen
auf den Lippen begleitete dieses Wiedereinholen: welches, gleich darauf, eine
ständig erneute Sichelbewegung der scharfen und scharlachroten Zungenspitze
vollendete. Ja, ein Wetterleuchten in den Augen, im Gesicht, kaum daß sie anfing,
mit dem Jungen, dem Diomede, zu reden: ja, da drin, in den sierigen Säcken der
Augenhöhlen: zwei schwarze Punkte, die Augen, zwei Stecknadelköpfe. Man hätte
glauben können, daß der Gottseibeiuns ihr endlich gezeigt habe, wo der Schatz
vergraben ist, unter der Erde, der unauffindbare Haufen Gold, die Zechinen:
oder das behexende Liebeselixier. Ein schwärzliches Lächeln verzerrte ihr den
Mund nach einer Seite, machte das Loch zum Diaphragma: über der Haut des halben
Gesichts, ein gelber Widerschein, zum Fürchten, wie von gewissen ungesunden
Feuern, von der Münzschmiede des Leibhaftigen. - Carlo Emilio Gadda, Die gräßliche Bescherung
in der Via Merulana. München 1988
Schwarzes Loch (6)
- N.N.
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