chwanzträger Die
Periode der privaten Initiative des Körperwesens währte ein Dreivierteljahrhundert.
Zunächst genoß man die wiedergewonnene Freiheit der Automorphie in vollen Zügen,
wieder ging die Jugend voran mit den Keuchern und den Lärmern der Burschen,
mit den Ziergliedern der Mädchen, aber bald traten Reibungen zwischen den Generationen
auf, denn es kam zu Konflikten unter dem Zeichen der Askese. Die jungen Leute
warfen den älteren Lebensgier vor, ein passives, rein konsumptionelles Verhältnis
zum Körper, seichten Hedonismus, vulgären Wettlauf nach Sinnenlust und nahmen,
um sich von ihnen zu unterscheiden, absichtlich abscheuliche Formen an,
die höchst unbequem, geradezu scheußlich waren (Spreizer, Gweidler). Sie demonstrierten
Verachtung gegenüber jeglicher Utilität und brachten sich Augen unter den Achseln
an, während das junge biotische Aktiv zahllose gezüchtete Klangorgane benutzte
(Trommler, Harfensträhner, Gulgongs, Mandolklimper). Es wurden Massenbrüllstunden
organisiert, bei denen die Solisten, die man Nachtigeiler nannte, die begeisterte
Menge in krampfartige Zuckungen versetzten. Dann kam die Mode oder vielmehr
die Manie auf, lange Greifarme zu tragen, die in ihrem Kaliber und in der Greifkraft
einer Eskalation nach dem typisch jugendlichen, brüstenden Prinzip »Ich werd's
dir zeigen!« unterlagen. Da aber niemand diese Schlangengeflechte selbst tragen
konnte, fügte man sich selbst sogenannte Folger (Schwanzträger) bei, das heißt
einen selbstschreitenden Behälter, der aus dem Kreuz herauswuchs und auf zwei
festen Waden die Last der Greifarme hinter ihrem Eigentümer herschleppte. Ich
fand in dem Lehrbuch Holzschnitte, die die Stutzer zeigten, hinter denen die
Folger die Greifarmbündel auf der Promenade hertrugen. -
(lem)
Schwanzträger (2)
|
||
|
||