chuldgefühle   Adele hatte sich von ihm scheiden lassen, als er sieben Jahre in Lompoc einsaß, in Kalifornien, und war nach Florida gezogen. Foley hatte es ihr nie übelnehmen können. Sie hatten sich in Vegas kennengelernt, wo sie als Cocktailkellnerin in einem knappen paillettenbesetzten Kostüm arbeitete, das oben tief und an den Beinen bis zum Schritt geschlitzt war, hatten eines Abends geheiratet, als sie beide gut drauf waren, und kaum ein Jahr später ging er nach Lompoc. Sie führten nicht mal einen Haushalt, sozusagen. Ein paar Monate nach seiner Entlassung kam Foley nach Florida, und sie schienen da weiterzumachen, wo sie aufgehört hatten, tranken, gingen zusammen ins Bett... Adele sagte ihm, sie liebte ihn noch immer, aber bitte kein Wort mehr von der Ehe, okay? Foley fühlte sich schuldig, daß er sie nicht hatte unterstützen können, als er im Gefängnis war, und dieses Gefühl brachte ihn wieder hinter Gitter. Er raubte eine ßarnett Bank in Lake Worth aus, wollte Adele die gesamte Beute geben - ihr zeigen, daß sein Herz am rechten Fleck saß -, wurde aber gefaßt und landete oben in Glades, wo er dreißig bis lebenslänglich absaß. Es bedeutete, so wie die Strafzumessung inzwischen arbeitete, daß er mindestens vierundzwanzig Jahre hier sein würde, bis er ein Anrecht auf Bewährung hatte. Und alles, weil er ein guter Mensch sein wollte. - Elmore Leonard, Zuckerschnute. München 1998 (zuerst 1996)

Schuldgefühle (2)   Ich fragte mich, stand das Verschwinden der Weiber in einem ursächlichen Zusammenhang mit meiner Rückkehr, lag es an der Gefahr meiner um ein beträchtliches Zeitmaß erweiterten Möglichkeit, freizügig durch die Straßen zu schlendern, hatte ich sie auf andere Weise erschreckt, vertrieben, hatte meine Ankunft in der Stadt sie einfach aufgelöst, vertrugen sie nicht den Stoff, aus dem ich gemacht war, war ich eine Art Antimaterie zu der ihren. Konnte ich sie bloß nicht mehr sehen ... hören, riechen. Ich hatte es doch im Betrieb noch gekonnt, der ein sogenannter Frauenbetrieb war, wo man nur einige wenige männliche Exemplare beschäftigte ... wenn ich nicht irrte. Ich wußte nicht mehr genau, ob ich in diesem Punkt irrte, ob ich vielleicht auch im Betrieb schon die Frauen nicht mehr sehen, nicht mehr feststellen konnte. Für Wochen gab es für mich kaum noch Zweifel, daß ich an ihrer Flucht die Schuld trug, daß das, was ich meine Rückkehr in das äußere Leben nannte, ihren Augen eine zu monströse Beleidigung gewesen sei. Aber was an mir war es, waren es meine allerorts zu erwartenden drohenden Reden, die sie verjagt hatten, war es mein Aussehen, waren es diese nicht mehr zu kontrollierenden Verfärbungen an mir, die Tatsache, daß ich immer finsterer wurde. War es meine Geilheit, irgendeine verschlagene Lüsternheit, die mich so lange aufregte, bis ich feststellte, daß sie ohne Basis war, daß mir die Kraft fehlte, die ihre Ideen hätte verwirklichen können. War es meine Gier, die sie abstieß, der Geruch meiner trockenen Gier, die Sucht, sie immerfort zu sehen, sie in der Nähe zu haben, war es meine Hand, die längst zu zittern begonnen hatte, da sie nicht eine der ihren berühren, streifen konnte. War es mein Geiz, der mich ihre weggeschmissenen Tempotaschentücher einsammeln ließ. War es der Lärm meiner Gurgel beim Leertrinken meiner Flaschen. War es der Lärm meiner Wimpern, die sich senkten, sobald nur ein flüchtiger Blick von ihnen über mich hinflog. War es, daß ich auffiel, da ich mich aufs erbittertste unauffällig verhielt. Oh, war es mein Geheul, das mich schüttelte, wenn ich in den Nächten ohne Aussicht auf den Anblick nur einer von ihnen in mein Zimmer verkrochen war, war es meine Tollwut, die sie ahnten.

Es konnte freilich auch umgekehrt sein - möglich, daß ich verschwunden war, und sie statt meiner noch vorhanden. Daß ich sie nicht erblickte, weil ich fort war, nichtexistent, aufgefressen und lediglich versteckt in den Eingeweiden meiner eigenen Filzläuse, denen es nicht möglich war, in ihrer kühlen Reinheit zu nisten. Oder ich war versteckt in den Eingeweiden meiner Mutter...  - (hilb2)

Schuldgefühle (3)
Schuld
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