chülerklo
Sie fingen an, uns regelmäßig zu verprügeln. Wo immer sie uns trafen,
schlugen sie zu. Sie nahmen uns unser Gabelfrühstück weg, unser Taschengeld,
rissen uns die Mützen vom Kopf und warfen sie irgendwohin, wo wir sie schwer
finden konnten... Sie wissen, wie es mitunter bei Halbwüchsigen zugeht... Roh
und grausam... Hm... Nikita und ich haben es zwei, vielleicht drei Jahre ausgehalten...
Das weiß ich heute nicht mehr genau. Wir haben sie nicht bei den Lehrern verpetzt,
das hätte übrigens nichts geholfen. Was macht man in solchen Fällen? Wir suchten
Deckung, versuchten möglichst schnell Reißaus zu nehmen. Bis zu diesem einen
Mal. Nikita dreht sich blitzschnell um und schlägt Grischka-Murza höchstpersönlich
die Faust auf die Nasenwurzel. Ich schwöre, ich habe
sogar das Krachen gehört. Das war so unerwartet, daß sie vor Staunen erstarrten.
Und Nikita stößt schon einem den Fuß in die Leistengegend, packt einen anderen
an den Haaren und kracht dessen Kopf gegen sein hochgehobenes Knie, den dritten
macht er auch kaputt... Hm... Sie sind bald zur Besinnung gekommen, haben sich,
die ganze Bande, auf Nikita gestürzt, mich haben sie vergessen, ich war wie
betäubt, mir war schwarz vor den Augen und ich habe so laut gebrüllt, daß es
in der ganzen Straße widerhallte. Sie haben damals Nikita übel zugerichtet,
aber sie selbst blieben auch nicht ganz heil... Zum Glück sind dann Passanten
zusammengelaufen... Hm. Ja, und seit diesem Tag hat Nikita begonnen, ihnen,
jedem einzeln, aufzulauern und sie zu verdreschen. Manchmal war ich auch dabei.
Das war schrecklich. Das war... Das war unglaublich grausam, es sah so routiniert
und, ich würde sagen, sachlich aus. Das heißt, er schlug sich nicht so, wie
sich gewöhnlich Jungen schlagen, um dem anderen wehzutun, ihn zu demütigen,
seine eigene Überlegenheit zu beweisen... Hm... Es war, als arbeitete er. Den
Anfang machte er mit Murza. Er erwischte ihn im Klo in der Schule und bearbeitete
ihn die ganze Pause hindurch, sachlich und schrecklich. Alle diese Kleine-Jungen-Regeln:
bis zum ersten Blut, nicht, wenn ihm der Atem ausgegangen ist, nicht ein Bein
stellen, einen Liegenden schlägt man nicht - alle diese Regeln mißachtete er
einfach. Schon nach einer Minute lag Murza auf dem gekachelten Fußboden und
röchelte, während Nikita auf ihn mit den Fäusten,
den Schuhen, mit allem möglichen einschlug. Wir waren alle starr vor Schrecken,
niemand wagte sich einzumischen, selbst die Jungen aus den höheren Klassen...
Ich schwöre, eine solch eisige Grausamkeit habe ich
später bloß im Kino, in Gangsterfilmen gesehen.« -
S. Jaroslawzew [Arkadi Strugatzki], Aus dem Leben des Nikita Woronzow.
In: Phantastische Zeiten. Hg. Franz Rottensteiner. Frankfurt am Main 1986 (Phantastische
Bibliothek 185)
Schülerklo (2)
In der Grundschule hatte ich mich oft auf dem Klo eingesperrt während der
großen Pause - Prügeleien nutzten mir nichts, selbst wenn ich sie gewonnen hätte.
Ein bißchen Dreck an meiner Jacke hätte zu Hause mehr Hiebe eingebracht als
zehn verlorene Kämpfe. Also Klo. Comics auf dem
Klo. Und die Schulbücherei, zu der ich einen versteckten, unabgesperrten Eingang
wußte. Von dort konnte man durchs Fenster klettern, mußte nicht den Haupteingang
benutzen. Auf den vielen Fluchten nahm ich viele Bücher mit. So hat das angefangen.
Später, als die Klos während der großen Pausen der Hip-Treff wurden, Jungs und
Mädchen rauchten, Sekt soffen, über Sex redeten, war ich längst Teil der Einrichtung
geworden, man duldete mein Beisein, bezog mich ein. So hat das angefangen. - Helmut Krausser, Schweine und
Elefanten. Reinbek bei Hamburg 1999
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