chüler,
schlechter
Haarmann hatte einen Helfershelfer, den Händler Grans, eine
nicht unintelligente, aber kalt berechnende Verbrechernatur, ehemaligen Realschüler;
er führte ihm junge, hübsche Burschen, die mit der Bahn ankamen, zu. Er nahm
sie unentgeltlich bei sich auf, traktierte sie freigebig, insbesondere auch
mit Alkohol, und legte sich dann mit ihnen zu Bett. Hierbei kam es nicht gerade
zu ausgesprochen gleichgeschlechtlichen, aber doch sexuellen Handlungen, in
deren gesteigerter Erregung er seinen Opfern die Kehle durchbiß. »Es kam über
mich. Ich werde unter dem Eindruck bestimmter geschlechtlicher Erregung willenlos.«
Er wußte aber jedesmal vorher genau, was dem Bettgenossen mit ihm widerfahren
werde, und billigte im voraus den Erfolg. H. war ein sehr schlechter Schüler,
wurde von der Unteroffiziersschule wegen Unsittlichkeit an Kindern fortgeschickt
und kam wiederholt zu irrenärztlicher Beobachtung. Beim Militär bewährte er
sich später. - (
erot
)
Schüler,
schlechter (2) Heinrich Mann,
im Jahre 1921 zu einem Besuch in Berlin (das sich als eine von Krieg, Elend,
Streiks, Putschen zerschundene Stadt zeigt), wendet seine erschreckte Zustandsbeschreibung
in Zuversicht: »Berlin wird Verherrlicher finden, die
es noch niemals kannte. Das Heldengedicht Berlins wird erst in der kommenden
Epoche zu schreiben sein . . . Die ungeheure Menschenwerkstatt Berlins wird
das kommende Geschlecht an sich ziehen in nie gesehenem Maße.« Menschenwerkstatt
- das ist aber nicht nur ein Wort in die Zukunft, es ist auch treffende Retrospektive.
Berlin war eine Art Amerika innerhalb Deutschlands, eine Neue Welt inmitten
der alten. Auch wer den Pioniergeist nicht mitbrachte, dem wurde er hier einverleibt.
In Berlin gab es die Möglichkeit (gar Nötigung) zur Entfaltung handwerklicher,
kaufmännischer, unternehmerischer, künstlerischer (und lange auch: militärischer)
Fähigkeiten. Hier mußte man nicht geboren sein, aber hier konnte man »zur Welt
kommen«. Die Stadt hatte (und hat) gewissermaßen Werkstattcharakter, sie war
ein fortwährender produktiver »workshop« (mit katastrophalen Unterbrechungen).
Wie sehr selbst einer »angemacht« wurde, der eher elegisch gestimmt war, sagt
dieser Seufzer: »Berlin hat nicht die Art, einem eins nach dem anderen beizubringen;
man bekommt alles zugleich ins Haus geworfen, man soll alles leisten und sehen,
ohne zum Bewußtsein zu kommen; es wird bei einem eine Frische, eine ununterbrochene
Fähigkeit, eine prompte Geistesgegenwart vorausgesetzt, die ich nur zeitweise
und nur ganz innen für meine Arbeit aufbringe. So geht es mir in Berlin immer
wie einem schlechten Schüler.« Der schlechte Schüler ist Rainer Maria
Rilke. - Dieter
Hild
ebrand, Berliner
Enzyklopädie. München 1996 (dtv 12224, zuerst Hanser 1991)
|
||
|
||