Schriftstellertagung   Der Süddeutsche Schriftstellerverband tagt in einem altmodisch eingerichteten Hotelsaal. Es sind diesmal nur so wenig Geladene gekommen, daß wir alle um einen großen rechteckigen Tisch herumsitzen können. Nach der Sitzung und dem Essen unterhält man sich noch zwanglos und heiter beim Wein. Da setzt sich ein hübsches Mädchen auf meinen Schoß. Ich bekomme unter ihren hin- und herrutschenden Schenkeln eine Erektion und als ich dann eine Ejakulation nahen fühle, versuche ich sie etwas anders zu verlagern und schiebe meine Hand zwischen unsere Schenkel, damit sie es nicht merken soll. Aber sie merkt anscheinend doch etwas, sie hält jedenfalls plötzlich auffallend still, nachdem sie vorher sehr lebhaft herumgezappelt hatte, und mir ist es furchtbar peinlich. Ich bin froh, als sich dann endlich die Gruppe auflöst und das Mädchen von meinem Schoß herunterrutscht. Ich bin auch froh, daß wenigstens die anderen nichts gemerkt haben, habe aber Angst, sie könnten mein Sperma riechen, zumal ich nur Shorts anhabe.

Ich eile deshalb meinem Zimmer zu, das an einem engen Seitenflur des Hotels liegt. Ausgerechnet vor mir geht ein Rundfunkredakteur mit seiner Frau und ich muß nun langsam hinter ihnen drein gehen, da der Gang zu schmal ist, um sie überholen zu können, ohne sie ansprechen und auf die Seite treten lassen zu müssen. Ich fürchte ohnedies ständig, daß sie sich umdrehen könnten und ich vor ihnen stehen bleiben und mit ihnen sprechen muß. Sie gehen auch auffallend langsam, drehen sich jedoch nicht um. Ich komme endlich unbehelligt zu meiner Zimmertür, gehe hinein und schließe ab. Erst als ich mich auszog, um meinen Penis zu waschen, bemerke ich, daß ich anscheinend in ein falsches Zimmer geraten bin.     - Wolfgang Bächler, Traumprotokolle. München 1972

 

Leben, literarisches

 

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