chreibkrampf Menschen
mit Schreibkrampf, die ich zu behandeln hatte, haben mir, ohne voneinander zu
wissen, mehrfach folgende Erklärung über das Schreiben gegeben: Die Feder ist
der Geschlechtsteil des Mannes, das Papier das empfangende Weib, die Tinte der
Samen, der bei dem raschen Auf und Ab des Schreibens ausströmt. Mit anderen
Worten, das Schreiben ist ein symbolischer Geschlechtsakt. Es ist aber auch
gleichzeitig das Symbol der Onanie, des phantasierten Geschlechtsaktes. Darf
ich noch ein paar spielerische Gedanken anreihen? Die deutsche Schrift ist für
den Schreibkrampfigen schwieriger, weil sie das Auf und Ab viel deutlicher,
heftiger, abgebrochener hat als die lateinische. Der dicke Federhalter ist leichter
zu brauchen als der dünne, der eher den Finger oder den allzu schwachen Penis
versinnbildlicht als der dicke. Der Bleistift hat den Vorteil, daß der symbolische
Samenverlust fortfällt, die Schreibmaschine, daß in ihr wohl die Erotik in der
Klaviatur, dem Auf und Ab der Tasten enthalten ist, aber die Hand nicht direkt
den Penis faßt. Das alles entspricht den Vorgängen beim Schreibkrampf, der vom
Gebrauch des gewöhnlichen Federhalters über den Bleistift und die lateinische
Schrift zur Schreibmaschine und zum Diktieren führt. - Georg Groddeck,
Das Buch vom Es (1923) , nach: Mit der Feder zu Papier. Ein immerwährender
Kalender. Hg. Udo Zöller, Louise Oldenbourg München 1982
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