- Nikolaus Heidelbach
Schreiber (2) Macht mich diese
Beschäftigung des Totmachens krank? Wer ins Schreiben kommt ist
ausranschiert, ist auf dem toten Gleis gelandet. Endgültig aufgegeben,
abgeschrieben und für hoffnungslos erklärt, gehört er jetzt zum
Bodensatz der Gesellschaft. An die Schreibmaschine kommt keine
Besichtigungsgruppe, denn hier gibt es nichts vorzuzeigen. Ein Besucher
wirkt hier wie ein verirrtes Wesen aus einer anderen Welt, schon
deshalb, weil von den Schreibern kaum noch einer draußen Angehörige hat,
die sich um ihn kümmern. In den chronisch Schreibenden, die, sich
selbst überlassen, ihre Tage absitzen, glimmt nur noch ein schwacher
Lebensfunke; der Drang nach draußen ist langst abgestorben. Werde ich
bald entlassen, ist keine ernstgemeinte Frage mehr, dahinter steht kein
spürbarer Impuls, eher die jäh aufsteigende Erinnerung an eine Zeit, als
diese Frage noch Hoffnung bedeutete. Eine bloße Formel, die dann und
wann aus der Stummheit hervorbricht. Worte wie Zukunft, bald, in 2
Monaten, sind mir leer und fremd, sie gehören einer Welt an, die sich
weiterentwickelt, die Pläne macht und mit dem Morgen rechnen muß. Das
Leben des Schreibers heißt Zeitlosigkeit, Stillstand, Wiederkehr des
Immergleichen. An die Stelle von Erwartungen und Hoffnungen sind
Ergebenheit und dumpfes Nicken getreten; Nicken zu allem, was der
Verleger sagt. Die Bedürfnisse reduzieren sich auf Essen, Trinken und
Schlafen. Wenn der Fernseher auch noch wegfiele, würde ich nicht danach
fragen. Wer in diese Gesellschaft kommt, steht in der Spannung zu der
lebensfremden ja lebensfeindlichen Ordnung, wird sich aufbäumen gegen
die zudiktierten Normen und mit letzter Energie beharrlich immer wieder
versuchen, seine Persönlichkeit zu behaupten. Doch das kann auf die
Dauer niemand aushaken. Außerdem ist der Zwang zur Anpassung so stark,
daß er bei jedem irgendwann auch die letzten Abwehrkräfte zum Erliegen
bringt, ein schleichender Prozeß, der unmerklich langsam jeden von der
Gesellschaft weg in die Rolle des funktionierenden Anstaltsinsassen
bringt. Ist das einmal erreicht, stört ihn die Gesellschaft nicht mehr,
er hat seinen Frieden gefunden. Ein Leerlauf in einer spannungslosen
Stille, die kein Schweigen ist, da niemand etwas zu sagen hat.
Schläfrig, grübelnd, irgendwelchen Fantasien nachhängend oder in dumpfes
Brüten versunken, verkriecht sich jeder in einen anderen Winkel als ob
es den Nebenmann nicht gäbe. - (acht)
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