chräg
Wieder häuften sich Leute, durch die er sich hindurchdrehte,
in sich zusammengezogen, geduckt, sehr unruhig. Offenbar hatte er sich
doch mehr davon versprochen, so durch eine andere Stadt zu gehen, merkte
er, aber was wollte er, herumgehend in der Stadt, was war das denn, was
er sich ausgedacht hatte, irgendeine spinnige Idee, eine Vorstellung, auf
irgend-wen zu treffen, zufällig. Und nun bildete
er sich unermüdlich ein, daß es so kommen müßte, gleich, an der nächsten
Ecke, durch irgendeinen Zufall, doch an der nächsten Ecke passierte nichts,
dann aber vielleicht an der Haltestelle, wo er jetzt wieder stehengeblieben
war, einfach nur, weil da viele Leute standen und warteten, so daß es nicht
auffiel, wenn er sich dazu stellte, ebenfalls wartend, auf nichts, das
geschehen könnte außer wartend sinnlos weiter dazustehen, damit Zeit verging,
unsinnig, Quatsch. Aber bis jetzt war er schon so viel herumgelaufen, sagte
er sich, er konnte ruhig einmal hier etwas länger stehenbleiben, also blieb
er eben hier stehen, wenn er keine Lust mehr hatte, konnte er sich ja ohne
weiteres irgendwo anders hinstellen, vielleicht weiter weg, dahinten, woanders,
an einer anderen Stelle. Zunächst ist es einmal doch schräg, hier, an so
einer Haltestelle, einfach stehengeblieben zu sein, als ob er auch auf
eine Bahn warte und gleich in einen Vorort rausfahren würde, und er fand
es auch schräg so dazustehen, zu warten, herrje, schräg, ja, er stand da
und wartete, das war schräg. Dann, einen Augenblick darauf, war er aber
nur noch durchfroren und wußte nicht weiter. Das Stehen und Warten war
doch zu wenig, überhaupt daß er hierhergefahren war, zu wenig, die Stadt,
sein Herumlaufen an den Schaufenstern vorbei und durch das Kaufhaus wenig,
nur weil er nicht wußte, wohin. Doch kein Gedanke an zurück. Ebenso kein
Gedanke hierzubleiben. Was dann? Nichts. Und was sonst? Nichts. Er hatte
oft genug daran gedacht wegzufahren, irgendwo anders hin, und jetzt war
er irgendwo anders, und das war nichts, nicht genug. Was war er für ein
schräger Vogel, so gesehen, ein Schrägling. Da war diese Vorstellung wieder.
Er sah sich an der Haltestelle stehen, klein und frierend, etwas durcheinander. -
(brink)
Schräg
(2)
Schräg
(3) Alles ist schräg, die Gedanken kommen zwangsweise ins
Rollen, seine unrunden Gedanken, die da eiern und hüpfen, sich
überschlagen, mal hier, mal da was mitreißen, tausende Ideen und Funde,
eine Lawine, ein Erdrutsch, eine sich ewig anbahnende Katastrophe, die
bloß Schwung holt, um über den nächsten Berg zu gelangen. - Christian Schulteisz, Wense. Berlin 2020
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