choß
Abbildung der schoos
DEr geist des alterthums schrieb den beschaumten wellen Die
künstliche Geburth der liebes-Göttin zu / Und daß ein muschelhaus
auf den gesaltznen stellen Sowohl zur überfuhr als ihrer ersten
ruh An statt der wiege sey damals bestimmt gewesen; Allein
so wurde da die wahrheit eingehüllt / Wer ihre Perlen nun wolt'
aus dem schlamme lesen Der fand sie endlich zwar / doch frembde
vorgebildt. Zieht jenen vorhang weg und last die fabeln schweigen; Was
gilts die wahrheit wird / ja selbst der augen-schein Euch den
verdeckten grund der Sache besser zeigen / Daß ich so Muschel
/ Meer als Welle müsse seyn. In meinen gründen ist die liebe
ja gebohren / Ich bin ihr erster Sitz / ihr Stammhauß / Vaterland
/ Mich hat zu dieser See selbst die natur erkohren / An deren
ufern sich das schöne Mädgen fand. Ihr glieder möget nun vor
mir die seegel streichen / Weil ich die Götter selbst durch mich
hervorgebracht / Ihr selber müstet auch im Mutterleib' erbleichen
/ Wenn nicht durch mich das Thor wär' in die welt gemacht. Es
füllet meine frucht den Himmel und die Erde / Ich mache daß der
bau der wundergroßen welt Nicht vor der letzten zeit zu einer
wüsten werde / Die nichts als distel-sträuch und dörner in sich
hält. Ich bin das paradieß / vor dem die keuschheit wachet / In
dessen gegenden die lebens-früchte blühn / Wo unser leben wird
wie feuer angefachet / Dabei die Söhne sich / wie Adam / gerne
mühn; Ein Tempel / wo die glutt der liebe stündlich brennet; Ein
Opffertisch / wo milch zum opffer wird gebraucht; Ein heiligthum
/ daß die für Priester nur erkennet / In deren keuscher brust
ein reiner weihrauch raucht; Ein gutes feld / das nur gerathne
früchte bringet Ein garten / den der thau der wollust überfließt; Ja
der die anmuth hat / die alle welt bezwinget / Und dessen blumenfeld
sein eigner fluß begießt. Ein Meer / wo Ebb' und Flutt dem Monden-lauffe
gleichet; Ein spiegel-glattes eiß / wo auch ein Riese fält; Ein
hafen / den vergnügt die Zuckerflott' erreichet; Die Schule /
die man nur für junge männer hält; Der liebe musterplatz die
mannschafft auszuüben; Ein zwinger / welcher zu / doch nicht
verschlossen ist; Die wahlstatt / wo auch wol ein Simson ist
geblieben; Das schützenhauß in dem ein jeder gerne schiest; Ein
Marckt / wo regungen durch blicke zu erlangen; Ein wechseltisch
der uns vor Jungfern / Frauen zahlt; Ein laden / wo noch nie
gebrauchte wahren hangen; Ein thal / in welches nie das licht
der Sonnen strahlt; Ein bergwerck welches gold und silber-adern
heget; (Die wüntschelrutte schlägt offt allzu hefftig an) Ein
land / das unbesät auch keine früchte träget; Ein abgrund / wo
die welt die perlen fischen kann; Der männer gröster schatz liegt
offt in meinem fache / Denn das behältnüß bin ich eigentlich
dazu / Drum hält die eifersucht bey mir so scharffe wache / Damit
demselbigen kein frembder eingriff thu. Hier ist der bienenstock
/ wo aus der keuschen blume Der lebens-honig wird zur rechten
zeit gemacht; Der himmel und die welt trägt den zum eigenthume Wenn
ich ihn an das licht / sein ziel davon gebracht. Der liebe ruhestadt
die liegt auff meinem grunde / Ihr forst / in welchem sie die
schönsten zobel jagt / Die männer sind dabey die besten jäger-hunde
/ Denn ihr verwegner geist ist immer unverzagt. Wenn ich verschlossen
bin / so geht die lust im leide / Offt werden gar darum die länder
ruinirt / Und spinnen trauerflor an statt der weissen seide / Weil
meine muschel nicht den thron mit perlen ziehrt. So kann der
wohlstand sich auff meine pfeiler gründen / Wer führt nun einen
ruhm / der meinen lorbern gleicht? Bey euch / ihr brüste wird
man diesen schwerlich finden / Die ohnmacht hat euch nicht vergebens
so gebleicht. Nur eines ärgert mich daß auch die kinder wissen Was
die erwachsenen in meinem garten thun / Wie sie durch ihren thau
mein blumenfeld begiessen / Und mit der grösten lust auff diesem
beete ruhn. Ach könt' ich dieser brutt unnütze reden stillen! Ein
vorschlag fält mir bey: ich will auf's ehst' einmal Ihr ungewaschnes
maul mit meinem wasser füllen / Wer weiß? befrei' ich mich dadurch
nicht dieser qual. Doch meine blösse heißt itzund mich stille
schweigen / Drumb hüll' ich wieder mich in meine decken ein / Und
wil nur noch mein thun dadurch gebilligt zeigen: Wo blumen sollen
blühn muß thau und regen seyn.
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Christian Hölmann
Schoß (2) Als ich den Boden
erreichte, stieg mir ein starker Schwefelgeruch in
die Nase. Die Höhle war so warm wie eine Küche.
Neben den Flammen saß eine Frau, die in einem großen eisernen Kessel
rührte. Sie kam mir bekannt vor, wenn ich auch ihr Gesicht nicht sehen konnte.
Irgend etwas an ihren Kleidern und der Neigung ihres Kopfes sagte mir, daß ich
sie schon oft gesehen hatte.
Als ich mich dem Feuer näherte, hörte die Frau auf, in dem Topf zu rühren
und erhob sich, um mich zu begrüßen. Als wir einander ansahen, fühlte ich, wie
mein Herz zusammenzuckte und dann stillstand. Die Frau, die vor mir stand, war
ich selbst.
Zugegeben, sie war weniger gebeugt als ich, deshalb erschien mir ihre Gestalt
größer. Vielleicht war sie hundert Jahre jünger oder hundert Jahre älter als
ich, sie hatte kein Alter. Ihre Züge waren mit meinen identisch, aber ihr Ausdruck
war viel fröhlicher und intelligenter. Ihre Augen waren weder trübe noch blutunterlaufen,
und ihre Bewegungen hatten nichts Schwerfälliges.
»Du hast lange gebraucht, bis du hierherkamst, ich hatte schon Angst, du
würdest nie kommen«, sagte sie. Ich konnte nur nicken und stammeln, während
ich mein Alter schwer wie ein Gebirge auf mir fühlte.
»Wo bin ich hier?« fragte ich schließlich, am ganzen Körper zitternd. Ich
spürte, wie meine Kniee unter mir nachzugeben drohten.
»Dies ist die Hölle «, sagte sie lächelnd, »aber
Hölle ist nur eine Form der Benennung. In Wirklichkeit ist dies der Schoß der
Welt, aus dem alle Dinge kommen.« - (
hoer
)