chokolade  L'Angelier reagierte furchtbar, als Madeleine ihm kühl mitteilte, daß ihre Beziehung zu Ende sei und daß er ihre Briefe und ein Bildnis zurückschicken solle. Ja, schrieb er, er wolle ihre Briefe zurückschicken, aber, an ihren Vater, der über alles, was zwischen ihnen passiert war, Bescheid wissen sollte und daß sie ja praktisch schon Madame L'Angelier sei. Madeleine antwortete mit einem verzweifelten Gnadenappell. »Tu nichts, solange wir uns nicht gesehen haben«, endete ihr Brief, »um Gottes willen, tu nichts!«

L'Angelier ließ sich erweichen, aber nur unter der Bedingung, daß ihre Beziehung wiederaufgenommen würde und daß klargestellt sei, daß sie mit Minnoch in Wahrheit nicht verlobt sei. Madeleine hatte etwas Zeit gewonnen. Die Aussöhnung fand am 12. Februar statt. In der anschließenden Woche versuchte sie, sich Blausäure zu verschaffen, aber ohne Erfolg. Am 21. gelang es ihr dann, Arsen zu kaufen, angeblich »um Ratten zu töten«. 24 Stunden später trank L'Angelier die Schokolade, die sie für ihn zubereitet hatte, und erkrankte schwer, genas aber wieder. Am 21. März schrieb sie: »Komm zu mir, Liebster! Ich habe gewartet und gewartet, aber du bist nicht gekommen. Ich werde morgen nacht wieder auf dich warten, gleiche Stunde, gleiches Arrangement. Komm also, mein Herzallerliebster!«

Er folgte dem Ruf. Am 23. frühmorgens schleppte er sich in seine Unterkunft zurück, war aber vor lauter Schmerzen nicht imstande, den Schlüssel in das Türschloß zu stecken. Seine Wirtin mußte ihm öffnen; dann rief sie den Arzt. Etwas später, am selben Tag, starb er.

Als Madeleine verhaftet wurde, legten sich ihre Eltern ins Bett und standen erst wieder auf, als der Prozeß vorbei war. Die Behörden respektierten ihre Gefühle, ersparten ihnen sogar die Schande, vor Gericht aussagen zu müssen. Madeleine war auf ihre moralische Unterstützung jedoch nicht angewiesen. Trotz der Enthüllungen über ihr Privatleben und trotz der großen Gefahr, die ihr drohte, blieb sie während des neuntägigen Prozesses völlig ruhig und gelassen. Selbst das Urteil »Schuldbeweis nicht erbracht« rief bei ihr höchstens ein schwaches Lächeln hervor, auch wenn sie einige Tage später in einem Brief erklärte, sich über die lauten Beifallsbekundungen, mit denen das Urteil begrüßt wurde, gefreut zu haben.

Das Haus am Blythswood Square wird heute vom Landwirtschaftlichen Institut, das darin untergebracht ist, sorgfältig gepflegt. Sogar Madeleines Souterrainzimmer, jener berühmte Raum mit den vergitterten Fenstern, ist noch gut erhalten. Heute sind dort die Personaltoiletten des Instituts untergebracht.  - (beg)

Schokolade (2)  Als Clemens XIV. jenes Breve »Dominus ac Redemptor noster« unterzeichnete, das am 16. August 1773 den Jesuitenorden auflöste, äußerte er, damit habe er sein Todesurteil unterschrieben. Die zahlreichen Anhänger des Ordens in der Kirche begegneten ihm mit bedingungsloser Feindschaft, Gerüchte über sein baldiges böses Ende wurden verbreitet, Weissager und Seherinnen raunten von seinem bevorstehenden Tod. In den Kreisen seiner Gegner begrüßte man sich mit den geheimnisvollen Worten »cinque quatro«, was den Eingeweihten verhieß, der Ganganellipapst werde nicht mehr als fünf Jahre und vier Monate regieren.

Am Gründonnerstag 1774 fühlte Clemens nach dem Genuß einer Tasse Schokolade plötzlich eisige Kälte in Brust und Magen aufsteigen. Ein andauerndes Unwohlsein befiel ihn, er verlor seine schöne, volltönende Stimme und seine heitere Laune. Kaum hatte er noch Appetit, empfand statt dessen oft Ekel und Unruhe. Vordem war er gerne gewandert oder ausgeritten, nun wurde er niedergeschlagen, klagte über Schwäche und Schmerzen im Unterleib. Eine Art Katarrh entzündete seinen Gaumen, weshalb er den Mund immer offen halten mußte. Es folgten Erbrechen, unwillkürlicher Schlaf, Urinverhaltungen. Lange verbarg er die Übel, aber er war überzeugt, vergiftet worden zu sein. Am 10. September wurde er in der Sänfte ohnmächtig. Er bekam Fieber, Entzündungen und Schmerzen in den Eingeweiden, die zunächst nach Aderlässen wichen. Nach einigen Tagen kehrten sie um so heftiger wieder, und es entstand im Unterleib ein Brand. Am 22. September, nach fünf Jahren und vier Monaten Amtszeit, erlag er seinem Leiden.

Schon am folgenden Tag war das Gesicht des Verstorbenen bleifarbig, die Lippen und Nägel schwarz. Am ganzen Körper zeichneten sich unter der Haut dunkle Flecken ab. Bei der Autopsie fand man die Eingeweide krebsartig angefressen. Ein Gefäß, in welches man sie tat, sprang des Nachts. Ein zweites ebenfalls nach zwei Tagen. Trotz der Einbalsamierung erfüllte ein furchtbarer Geruch das Gemach, Kondensflüssigkeit lief von den Wänden. An den Händen des Toten bildeten sich dicke Blasen. Die Nägel und die Haut lösten sich ab. Alle Haare blieben am Kopfkissen hängen.  - Albert Christian Sellner, Immerwährender Päpstekalender. Frankfurt am Main 2006 (Die Andere Bibliothek 260)

Schokolade (3) Ich ward einem regierenden Fürsten von Massa-Carrara anverlobt. Welch ein Fürst war das! Schön war er, so schön wie ich, dazu ausbündig sanft, leutselig und liebreich. Er sprühte von Witz und Geist und war überdies glühend in mich verliebt. Ich liebte ihn, wie man eben zum erstenmal liebt, abgöttisch, leidenschaftlich und hingebungsvoll. Man traf Anstalten zum Beilager. Unerhörter Prunk wurde entfaltet, eine Pracht, wie sie noch nie dagewesen war. Fest an Fest, Ringelstechen, eines ums andere, fanden statt, eine Opera buffa löste die andere ab. So ging es ununterbrochen zu. Und ganz Italien dichtete Sonette zu meinem Preis, und es war kein einziges darunter, das leidlich gelungen wäre. So stand ich denn dicht vor meinem seligsten Glück, als eine alte Marchesa, die voreinst die Geliebte meines Fürsten gewesen war, ihn zu einer Tasse Schokolade einlud. Zwei Stunden später starb er unter gräßlichen Krämpfen. - Voltaire, Candide oder Der Glaube an die beste der Welten, nach (vol2)
 
 

Genußmittel

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme