Schöne Heilige  Die Ines Cionini hatte ihren Galan gehabt, das gab sie zu, einen hübschen Bengel: einen ganz geschniegelten Poussierstengel. Welchselbiger, so dachten alle, sie kennengelernt und vielleicht auch ... warum nicht, ihr mit einigen Zärtlichkeiten beigestanden hatte... zu einer Zeit, als ihr letztes Bad noch nicht gar so weit zurücklag. Sie war sehr schön, wenn man sie so sah, trotz des schmierigen Raumes, der trübseligen Beleuchtung über dem Ziegelboden: weißhäutig im Antlitz und an der Kehle zwischen den Strähnen und Fransen der Schmuddligkeit: mit gewölbten roten Lippen: fast wie die einer kindlichen Sylphide, aber von vorzeitiger Reife bedrängt: und wellig und wogend im Wenden, im Beugen, und mit Volumen schmerzlich behangen (ein wenig wie gewisse Heiligenfiguren, gewisse Nonnen, die man für spanisch hielt), wie mit einem unangreifbaren Auftrag, einer schweren, einer ewigen Bürde: ihr auferlegt nach der antiken Willkür der Natur. Oberflächliche Angleichungen des wahren, des kernhaften Volumens schienen sie ständig zu überrieseln wie Wasserringe über dem geworfenen Stein, erweiterten im »Denken der Anwesenden«, das heißt, im männlichen Phantasieren jene wunderbare Vorstellung: zusammen mit jenem besagten Geruch strömte von ihr der wahre, der tiefe Sinn des Innersten, der Eingeweide: des Hungers und der brünstigen Wärme. Das Gefühl, das den Ställen, den Heuschobern zugehörig ist.  - Carlo Emilio Gadda, Die gräßliche Bescherung in der Via Merulana. München 1988
 
 

Heilige Schönheit

 

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