Schnuckelchen  ›Aber Severo!‹ sagte sie. ›Immer mußt du uns mit solchen Scherzen kommen. So ist mein Severo eben, Dom Ezequiel, nehmen Sie sein Verhalten nicht tragisch! Im ersten Augenblick der Förmlichkeit schweigt er sich aus, dann aber, wenn er die Person, der er vorgestellt wird, sympathisch findet, schwatzt er drauflos wie eine Zikade.‹

Nun kam es noch schlimmer, Herr Richter. Severo war mit seinen Gedanken wieder bei den Kuchen und hatte nicht mehr auf den Sinn, sondern nur noch auf den Klang der Wörter geachtet. Das letzte Wort klang in seinen Ohren wie ›Scala‹; es rührte etwas in ihm auf und weckte kunterbunte Erinnerungen, einige bezogen sich auf den Sertão, die meisten aber auf die berühmte Europareise, die er mit Dona Carmen unternomme hatte.

›Scala?‹ fragte er und wurde wieder ganz lebendig und wach. ›Die habe ich doch gekannt. Das war ein Pferd. ,Scala' war das Sattelpferd von Oberst Queiroga aus Pombal. Und am allerrnerkwürdigsten finde ich, daß es gleichzeitig ein Pferd und ein Theater war. Als wir nämlich Europa bereisten, Carminha und ich, kamen wir in eine italienische Stadt, und dort war wieder das Pferd von Oberst Queiroga und hieß ,Scala von Mailand'. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wie das gewesen ist, weil da drüben in Europa so große Verwirrung herrscht. Aber ich kann mich noch entsinnen, daß es ungefähr so war: entweder hatte sich das Pferd in ein Theater verwandelt, oder das Theater war ein singendes Pferd. Ich weiß es nicht mehr genau, es ging dort alles so furchtbar durcheinander. Aber ich entsinne mich gut, daß es dort eine Scala gab: ich weiß nicht mehr, ob sie Kopf und Schwanz hatte, aber Stirn und Hintern hatte sie auf alle Fälle. Die Leute gingen durch die Stirn hinein und kamen aus dem Pferdehintern wieder heraus, und ich wunderte mich nur, daß ein so seriöser und besonnener Mann wie Oberst Queiroga aus Pombal erlauben konnte, daß sich das ganze Ausländervolk so große Freiheiten mit seinem Sattelpferd herausnahm. Bei mir ist das ganz anders: durch den Hintern eines meiner Pferde geht mir kein Tschusche hinein oder hinaus.‹

›Aber Schnuckelchen, was sind denn das für unsinnige Scherze!‹ rief Dona Carmen bestürzt und bereute es schon, daß sie in diesem Wespennest herumgestochert hatte. ›Mit solchen Gesprächen kommst du unserem Herrn Bischof, wo du doch sonst so respektvoll, so seriös und bei klarem Verstand bist?‹

›Biest?‹ fragte Severo gereizt. ›Ist das schwarze Mannsbild da ein Biest? Was denn für ein Biest, Carminha? Etwa eines von den Biestern, die sie heute nachmittag aus ihren Käfigen herausgelassen haben? Und wenn ja, was ist das denn für ein verteufeltes Biest, das einen schwarzen Rock trägt? Ist es eine sprechende Eselin, so ähnlich wie die singende Scala? Oder ist es einer von den stinkenden Orang-Utans, dem man einen Rock übergezogen hat?‹

›Aber um Gottes willen, Schnuckelchen!‹ sagte Dona Carmen mehr tot als lebendig.

›Aha, ich weiß schon, wer das ist‹, fuhr Severo fort, ohne sich von der Unterbrechung beeindrucken zu lassen, und bewies, daß er der Unterhaltung seiner Frau mit dem Komtur aufmerksamer gefolgt war, als man es für möglich gehalten hatte. ›Jetzt weiß ich schon, was er für ein Biest ist. Er ist ein Hund, ein Zirkushund, einer von denen, die im Zirkus im Röckchen auftreten und durchs Feuer springen. Einmal ist hier ein Zirkus durchgekommen, und da habe ich einen großen Hund mit einem Rock gesehen; der war sehr spaßig und sprang immer durch die Feuerreifen durch. Erinnerst du dich noch, Carminha? Es war ein großer Hund mit Rock, fast so groß wie dieser sogenannte Ezequiel hier. Jetzt will ich dir nur noch eins sagen, Carminha: gib gut acht auf diesen Hund im schwarzen Rock, denn diese Zirkushunde sind so behend und unverschämt wie der Teufel. Es wird doch nicht dieser Hund gewesen sein, der dich heute nachmittag auf der Gasse gevögelt hat?‹  - (stein)

 

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