chneckenrennen Das
Rennen fand auf einem großen, weißen Wachstuch statt, das am Fuße der Kirche
Sainte-Gudule ausgerollt wurde, und damit alle den aufregenden Peripetien (denn
alle teilnehmenden Schnecken waren Meister) folgen konnten, wurde das von Kameras
aufgenommene und vergrößerte Bild des Rennens auf eine Leinwand in der Grünanlage
projiziert, wo die Konkurrenten riesengroß erschienen und wo man ihre durch
die kolossalen Anstrengungen verzerrten Mienen Minute für Minute mitverfolgen
konnte. Titelverteidiger war eine dicke, angeberische Burgunderschnecke, die
von zahlreichen gregariii assistiert wurde, die sich um sie scharten, ihr Salatblätter
und Fenchelstiele zu den Pässen brachte (man hatte mit Hilfe eines Systems geschickt
plazierter Backsteine Pässe und andere Hindernisse auf der Strecke angelegt,
besonders einen Fluß, der auf Hälmchen überquert werden mußte). Der Publikumsliebling
aber war eine junge, fast unbekannte gesprenkelte Weinbergschnecke, die aus
einem Gemüsebeet der Poldeven-Kapelle kam und voller Kühnheit, Phantasie und
poldevischer Wildheit war; Veronica Boillault war ihre Trainerin; schließlich
erreichte sie unter dem Beifall des Publikums - obwohl sie ihre Rivalin, die
Titelverteidigerin, unter Mißachtung des Fair play und der Vorschrift eindeutig
geschubst hatte - als erste die Ziellinie und empfing jetzt in den Armen Veronicas,
die sie vor den Fernsehkameras auf die zarte Schnauze küßte, ihren Preis, eine
gelbe Tomate. - Jacques
Roubaud, Die schöne Hortense. München 1992 (dtv 11602, zuerst 1985)
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