Schnabelkopf   Jenny Petherbridge war Witwe, eine Frau im mittleren Alter; viermal war sie verheiratet gewesen. Jeder ihrer Ehemänner war verdorben und gestorben. Ruhelos wie ein Eichhörnchen, das Tag und Nacht über sein Rädchen rast, hatte sie versucht, sie zu historischen Figuren zu machen. Das hatten sie nicht überleben können.

Sie hatte einen geschnäbelten Kopf und einen Körper, klein, kraftlos und grausam. In gewisser Weise wurde man an Kasperles Frau erinnert: Kopf und Körper paßten nicht zueinander. Nur getrennt vom anderen Teil hätte man einen von ihnen >richtlg< nennen können. Eine zitternde Inbrunst lag in ihren Handgelenken und Fingern, als leide sie an einer sorgfältig ausgewählten Entsagung. Sie sah alt aus, dennoch so, als sei sie in Erwartung des Alters. Es war, als schwebe sie im Dunste eines anderen, der im Begriff ist, zu sterben; und doch hatte sie das geistige Aroma (denn es gibt rein geistige Gerüche, die keinerlei Wirklichkeit haben) einer potentiellen accouchée. Ihr Körper litt unter seiner Kost: Gelächter und Abfall, Mißbrauch und so manche Schwäche. Aber streckte man eine Hand aus, um sie zu berühren, so geriet ihr Kopf in bedenkliches Pendeln, beschrieb den gebrochenen Bogen zweier Instinkte: Rückzug und Vorstoß. So schaukelte er, schüchtern und herausfordernd zugleich, und gab ihr einen Rhythmus von leichtem Erschaudern und Erwartung.

Sie wand sich unter dem Schicksal, nicht tragen zu können, was ihr gestanden hätte. Sie war eine von diesen panischen, kleinen Frauen, die, was auch immer sie anziehen, niemals anders aussehen als ein Kind, das eine Strafe verbüßt. Sie hatte eine Vorliebe für winzige Elefanten aus Elfenbein oder Jade; sie sagte, so etwas brächte Glück. Sie hinterließ eine Spur winziger Elefanten, wo immer sie lief; und sie lief eilig und atemlos.  - Djuna Barnes, Nachtgewächs. Frankfurt am Main 1981 (zuerst 1936)

Kopf

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