chleife  Nigromontanus kam einmal auf gewisse Gegenstücke des Magnetberges zu sprechen, auf geistige Zentren von so abweisender Kraft, daß sie dem gewöhnlichen Sinn unnahbarer und unbekannter als die Rückseite des Mondes sind. Es geschah dies in seiner Vorlesung über die metalogischen Figuren, und zwar im besonderen über jene, die er als die Schleife bezeichnete. Unter der Schleife verstand er eine höhere Art, sich den empirischen Verhältnissen zu entziehen. So betrachtete er die Welt als einen Saal mit vielen Türen, die jeder benützt, und mit anderen, die nur wenigen sichtbar sind. Wie man in Schlössern, wenn Fürsten erscheinen, besondere, sonst streng verschlossene Portale zu öffnen pflegt, so springen vor der Geistesmacht des hohen Menschen die unsichtbaren Türen auf. Sie gleichen Fugen im groben Bau der Welt, die nur das feinste Vermögen zu durchgleiten vermag, und alle, die sie je durchschritten, erkennen sich an Zeichen von geheimer Art.

Wer so die Schleife zu beschreiben weiß, genießt inmitten der riesigen Städte und im Sturme der Bewegung die herrliche Windstille der Einsamkeit. Er dringt in verkleidete Gemächer ein, in denen man der Schwerkraft und den Angriffen der Zeit in geringerem Maße unterliegt. Hier wird leichter gedacht; im unfaßbaren Augenblick erntet der Geist Früchte ein, die er sonst durch jahrelange Arbeit nicht gewinnt. Auch schwindet der Unterschied zwischen der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft dahin. Das Urteil wird wohltätig wie eine leuchtende Flamme, ungetrübt von den Einflüssen der Leidenschaft. Hier auch findet der Mensch die rechten Maße, an denen er sich zu prüfen hat, wenn er am Scheidewege steht.

Nigromontanus wußte von einsamen Geistern zu berichten, deren Wohnung, obwohl sie mitten unter uns zu weilen scheinen, das Unzugängliche ist. Diese, an die reinen, hohen Grade des Feuers gewöhnt, treten nur hervor, wenn die Nähe der höchsten Gefahr ihnen den Übergang erträglich macht. Glücklich aber, meinte er, sei schon der zu schätzen, der im umgekehrten Verhältnis in der Welt sich tätig bewege und nur für einen Augenblick der Schleife fähig sei. Als Gleichnis solcher Augenblicke führte Nigromontanus gern das kurze Schweigen an, das der Aufforderung zur Übergabe folgt.

Wie hoch indessen er die Kraft, die Wände unserer stumpfen Sinne zu durchschreiten, pries, so sehr pflegte er auch vor der Verachtung des Menschen zu warnen, die der Anblick der Schwäche allzu leicht erzeugt. Wenn er dies berührte, hörte ich ihn oft erwähnen, daß es eine Schleife gäbe, die auch der letzte zu beschreiben fähig sei, und daß das Todestor, als das wichtigste der unsichtbaren Tore, für uns alle, ohne Unterscheidung, Tag und Nacht geöffnet sei. Er nannte den Tod die wundersamste Reise, die der Mensch vermöchte, ein wahres Zauberstück, die Tarnkappe aller Tarnkappen, auch die ironischste Replik im ewigen Streit, die letzte und unangreifbare Burg aller Freien und Tapferen — überhaupt war er bei der Behandlung dieser Materie ganz unerschöpflich in Vergleichen und Lobsprüchen. - (ej2)

Schleife (2)
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