chlangenschlacht Ich hatte meine Schlange über Nacht im Büro des Lektors gelassen, in einem verschlossenen Karton, zusammen mit der Opfermaus ... aber die Maus blickte durch, und die Todesangst gab ihr die Kraft, ein Loch in den Karton zu nagen und ins Innere des Gebäudes zu entkommen.
Die Schlange folgte ihr natürlich - durch dasselbe Loch
-, und irgendwann gegen Morgen, als der Nachtwächter losging, um den
Haupteingang- zu überprüfen, traf er plötzlich auf eine sechs Fuß lange,
blauschwarze Schlange, die eilig die Treppe
hinaufschlängelte, ihm die Zunge entgegenschnellen ließ und eine
Warnung zischte, die offenbar - da war er nach eigener Schilderung des
Vorfalls ganz sicher -das letzte Geräusch war, das er in seinem Leben
hören sollte.
Die Schlange war eine harmlose Blue Indigo, die ich
gerade von einer Reptilienfarm in Florida mitgebracht hatte ... aber das
konnte der Nachtwächter natürlich nicht wissen - er hatte in seinem
Leben noch keine Schlange gesehen. Die meisten Eingeborenen der Insel
Manhattan haben eine Höllenangst vor allen Tieren außer Kakerlaken und
Pudeln . .. und so sah sich dieser arme Ignorant von Nachtwächter
plötzlich von einer zischelnden, sechs Fuß langen Schlange bedroht, die
ihm die Treppen herauf entgegenkam, ungefähr aus der Richtung von
Kardinal Spellmans Hauptquartier auf der anderen Seite des Hofes ... er
sagte, der Anblick hätte ihn vor Angst fast wahnsinnig gemacht, und im
ersten Moment sei er wie gelähmt gewesen.
Als die Schlange dann aber immer näher kam, riß
irgendein Primärinstinkt den Mann aus seiner Trance und gab ihm die
Kraft, das Vieh mit der erstbesten Waffe anzugreifen, die er in die
Hände bekam - von ihm anfangs als »stählerner Besenstiel« beschrieben,
aber spätere Nachforschungen ergaben, daß es sich um ein Metallrohr
handelte, welches aus einem sich in der Nähe befindlichen Staubsauger
herausgerissen worden war.
Die Schlacht dauerte offensichtlich fast zwanzig Minuten: schreckliches Klirren und Kreischen in dem leeren Marmor-flur, und schließlich behielt der Nachtwächter die Oberhand.
Schlange wie Staubsaugerrohr waren bis zur
Unkenntlichkeit verstümmelt, und später am Morgen fand ein Lektor den
Nachtwächter, der im Untergeschoß neben der Xerox-Maschine auf einem
Stuhl hockte, das kaputte Stück Rohr noch immer umklammert hielt und
nicht in der Lage war zu sagen, was los war mit ihm, außer, daß etwas
Schreckliches nach seinem Leben getrachtet habe, daß es ihm aber
schließlich gelungen sei, dieses Etwas zu töten. -
Hunter S. Thompson, Seltsame Berichte aus einer seltsamen Zeit. Gonzo-Schriften I/1. Frankfurt am Main 1985
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