chlangenblick    Da sitzt sie nun in duftiger Sommerkleidung zwischen den grünen Büschen ihres Parks. Er glitt mit raschen Augen über die nur skizzenhaft bemalte Leinwand. Wenn es noch ein ordentliches Bild wäre! Aber diese Bäume sind ja nur grüne Flecke. Vom Hund ist bloß der Kopf erst fertig. Und der bezopfte Diener da im braunen Anzuge, der einen Brief zu bringen scheint... Wie kann man nur solche Bilder ausstellen! Daß dies halbfertige Gemälde mächtiger wirkte als alle andern im Museum, davon spürte er noch nichts. Dazu war er noch gar zu verärgert. Aber dann wurde er doch ruhiger. Der Hintergrund ist besser, dachte er, das Tal, der Fluß, die Baumgruppen am Ufer, in der Ferne Wolken und waldige Berge. — Das kommt mir doch bekannt vor, das habe ich doch schon gesehen. — Natürlich, das ist ja die Themse, Richmond und der Blick von der Terrasse, wo wir neulich saßen. Derselbe Blick, den Constable auch gemalt hat. Hm! Nicht übel! Und sehr erfreut über seine künstlerische Entdeckung, suchte er nun nach den anderen Wahrzeichen des Orts, den hohen Pappeln, der Brücke. Aber zu einem ruhigen Betrachten kam er nicht. Dies Frauenzimmer stört mich, dachte er und wandte sich wieder der Lady zu.

Die saß still und bequem in ihrem Stuhle und sah aus ruhigen Augen dem Beschauer gerade ins Gesicht. Ein merkwürdiger Blick! Etwas Schlangenartiges, Magnetisches lag darin. Und der halbgeschlossene Mund, das war ein rätselhafter Zug, der ihn umspielte: Versprechen, Locken, Spott? Wer mag diese Lady gewesen sein? Er überflog wieder das durchsichtige blau und weiß gestreifte Seidenkleid, vorne ein wenig zurückgeschlagen, daß das spitzenbesetzte Untergewand kokett hervorlugte-, die feinen langen Hände, die lässig gefaltet im Schoße ruhten und mit zarten Fingern den gelben Strohhut hielten und fühlte wieder den Zwang der grünen Schlangenaugen, mußte den Blick zu ihnen wenden; und diesmal irrte er so rasch nicht wieder ab. Denn wenn auch alles Übrige nur Leinwand und Ölfarbe ist, in diesen Augentiefen sitzt lebendiges Fühlen, huscht über die Stirn, spielt um den Mund, durchglüht nun die ganze Gestalt. Sie atmet, lächelt, spricht. Leise, ganz leise, kaum vernehmbar: »Johannistag!«

»Ja, Johannistag: Und alle bösen Geister sind heute frei.«

Wo kam die Antwort her?   - Heinrich Vogel, Das Bild in der Tate Gallerie. In: Jenseits der Träume. Seltsame Geschichten vom Anfang des Jahrhunderts. Hg. Robert N. Bloch. Fankfurt am Main 1990 (st 1595, zuerst 1921)

Schlangenblick (2)   Verläßliche Äußerungen über den Menschen Friedrich II. gibt es nur ganz wenige. Auch auf physiognomische Zeugnisse kann man sich kaum stützen. Die Büsten, Siegel, Gemmen und Münzen tragen meist einen stilisierten Cäsarenkopf. Realistisch wirkt nur ein oft wiederkehrender, doch wohl porträtechter Zug: die merkwürdig eng stehenden, sehr großen Augen, deren Ausdruck an den «Schlangenblick» denken läßt, der ihm einmal von einem Freund nachgesagt wurde.

Der Versuch zu einer Skizze seines Charakterbildes muß sich also an bezeugten Handlungen und Verhaltensweisen orientieren und kann über eine Zusammenfassung des im Laufe der vorliegenden Darstellung Vorgebrachten kaum hinausgehen.

Da finden sich neben der Freude an festlichem Luxus und exotischer Pracht, heiterer Gesprächigkeit, bezaubernder Liebenswürdigkeit: sarkastische Ironie, erschreckende Kälte, ungestüme Grausamkeit, die ihm vielleicht von seinen normannischen Vorfahren überkommen war; neben strengster Selbstdisziplin und durchdringender, überlegener Geistigkeit jähe Zornanfälle und Bekundungen stärkster Sinnlichkeit. Schwer auflösbar und deutbar bleibt ferner der Gegensatz von freigeistiger Skepsis und Ungläubigkeit gegenüber kirchlichen Dogmen und zeitbedingten Vorurteilen einerseits und seiner lebenslang aufrechterhaltenen Überzeugung von der Gottunmittelbarkeit des Kaisertums andererseits.

Das führt in die Widerspräche seiner politischen Haltung: der letzte Vertreter der hochmittelalterlichen imperialen Staatsauffassung ist zugleich der Begründer des ersten autonomen weltlichen Staates auf abendländischem Boden mit allen Vorzeichen moderner Diktaturen. Der Gründer einer sarazenischen Leibtruppe, der geistvolle, wissensdurstigc, gelehrte Gesprächspartner islamischer und jüdischer Philosophen und Theologen verfolgt Ketzer und Abtrünnige mit grausamsten Methoden der Inquisition. Der Mann, der nicht an die Unsterblichkeit der Seele - von anderen christlichen Lehrmeinungen zu schweigen - glaubt, der den Papst als Widersacher Christi hinstellt, ist von der gottgewollten Zuordnung von Kirche und Reich als der beiden universalen Mächte durchdrungen und davon auch in den letzten gegenseitigen Vernichtungskämpfen nicht abzubringen. Ausgestattet mit nüchternem Wirklichkeitssinn, hält er gleichwohl an geschichtlich überholten Positionen und Anschauungen fest. Der Vorläufer der Renaissance und «erste moderne Mensch auf dem Thron» (Jacob Burckhardt) führt sich in manchem wie ein orientalischer Despot auf und stirbt wie ein rechtgläubiger katholischer Fürst.  - Herbert Nette, Friedrich II. von Hohenstaufen. Reinbek bei Hamburg 1975 

Schlangenblick (3)  

- Bernard Montorgueil

Schlangenblick (4)  

Reptilblick Schlange

 

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