Schlangenanbeterin (2) Es wird erzählt,
daß Philippos, als er in Samothrake zusammen mit Olympias in die Mysterien
eingeweiht wurde, er selbst noch ein sehr junger Mann und sie ein Kind, eine
Waise, sich in sie verliebt und die Ehe mit ihr abgemacht habe, indem er ihren
Bruder Arybbas dafür gewann.
Vor der Nacht nun, in der sie im Brautgemach
vereinigt wurden, träumte die Braut, es donnere und ein Blitz
schlüge in ihren Leib, von dem Schlage entzündete sich ein starkes Feuer, loderte
in vielen Flammen auf und verbreitete sich nach allen Seiten. Philipp seinerseits
hatte später, nach der Hochzeit, den Traum, er drücke ein Siegel
auf den Leib der Frau, und die Gravierung des Siegels, so träumte er, zeigte
das Bild eines Löwen. Während die anderen Seher den Traum bedenklich fanden
und meinten, Philipp müsse sorgfältiger über seine Frau wachen, erklärte Aristandros
von Telmessos, die Frau sei schwanger; denn man versiegele nichts, was leer
sei; und zwar sei sie schwanger mit einem Sohn von leidenschaftlicher und löwenkühner
Art. Auch sah man einmal, während Olympias schlief, wie eine Schlange sich neben
ihrem Leibe ausstreckte, und dies, so sagt man, kühlte besonders die Liebe und
Zuneigung Philipps ab, so daß er nicht mehr oft zu ihr ging, um an ihrer Seite
zu ruhen, sei es daß er darauf hin irgendwelche Behexung und Bezauberung von
der Frau fürchtete oder daß er sich vor dem Verkehr mit ihr scheute, weil sie
mit einem Mächtigeren verbunden sei. Doch gibt es noch eine andere Überlieferung
hierüber, daß nämlich alle Frauen dort seit ältester Zeit den geheimen orphischen
Weihen und dem ekstatischen Kult des Dionysos
ergeben seien, Klodonen und Mimallonen zubenannt würden und viele Bräuche übten
ähnlich den Edoninnen und den Thressen (= Thrakerinnen) im Haimosgebiet; nach
ihnen ist auch, so scheint es, das Wort threikeuein für das Begehen wilder
und überschwenglicher Kultbräuche aufgekommen. Olympias war diesem Treiben mehr
als andere Frauen zugetan, steigerte sich mit barbarischer Wildheit in die Gottesbesessenheit
hinein und nahm bei den Auszügen große zahme Schlangen mit, welche dann oft
aus dem Efeu und den mystischen Körben hervorgekrochen kamen, sich um die Thyrsusstäbe
und Kränze der Frauen ringelten und die Männer erschreckten.
Jedenfalls wurde dem Philipp, der nach der wunderbaren Erscheinung den Chairon
von Megalopolis nach Delphi sandte, von dem Gott - so heißt es - ein Wahrspruch
überbracht, der ihm gebot, dem Ammon zu opfern und diesem Gott besondere Verehrung
darzubringen; auch habe er das eine Auge eingebüßt, welches er an den Türspalt
angelegt und beobachtet habe, wie der Gott in Gestalt einer Schlange der Frau
beiwohnte. Und Olympias, so berichtet Eratosthenes, habe, als sie Alexander
beim Auszug ins Feld das Geleit gab, ihm allein das Geheimnis seiner Zeugung
verraten und ihm befohlen, eine Gesinnung zu zeigen, die seiner Abkunft würdig
sei. - (plut)
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