chlangenanbeter Es
ist seltsam genug, daß der Hindu ruhig einem Kampfe zwischen dem Mungo und einer
Schlange zusieht und sich mächtig freut, wenn der geschmeidige kleine „Jaggernath"
der viel größeren Schlange oder gar der giftigen Kobra das Genick durchgebissen
hat. Und doch würde er nie wagen, derselben Schlange ein Leid anzutun, wenn
er ihr im Busche begegnet, ganz besonders nicht der Kobra, die Buddhisten und
Brahmanen gleich heilig ist. Durch ganz Süd- und Mittelindien wie in Ceylon
wird die Schlange verehrt; es ist etwas durchaus nicht Ungewöhnliches, daß man
einen Madrassi, Tamilen oder Singhalesen findet, der vor einem Schlangenloch
— manche Arten halten sich mit besonderer Vorliebe in Ameisenhügeln auf — steht
und die Tiere anbetet. - Hanns Heinz
Ewers, Indien und Ich. München 1918 (zuerst 1911)
Schlangenanbeter
(2) Nach einer Jagd bemalten sich die jungen Krieger,
tanzten um das Feuer mit ihren Speeren, sie gerieten in Wut und gingen gegeneinander.
Sie trommelten und sangen. Sie riefen ihre Väter, die Anakonda,
an. Sie stürzten plötzlich hin. Aus dem Buschwerk wanden sich zwei gewaltige
Schlangen. Sie schossen in die Lichtung, richteten sich steil auf und zeigten
ihre Zungen. Die Krieger ließen ihre Lanzen fallen, drehten die Köpfe beiseite
und verdeckten sich die Augen. Plötzlich sprang einer ans Feuer, warf ihnen
blutiges Hirschfleisch hin, bedeckte sogleich wieder sein Gesicht. Die großen
Schlangen ließen ein Zischen ertönen, preßten ihren
Leib an den Boden, würgten das Fleisch herunter. Sie standen steil zu zweit
in der Lichtung, entfernt vom Feuer. Dann knackte und raschelte es. Sie waren
verschwunden. Die Krieger tanzten von neuem, grüßten und dankten den Schlangen.
-
Alfred Döblin, Amazonas-Trilogie. Bd.1, Land ohne Tod. München 1991
Schlangenanbeter (3) Die Trommeln schlugen wieder, langsam schien die Mamaloi aus ihrem Traum zu erwachen. Sie sprang herab von dem Korbe, riß die Schlange heraus und stieg wieder hinauf. Es war eine lange, gelbschwarze Natter; verwirrt von dem Feuerschein züngelte sie und wand sich lang um den ausgestreckten Arm der Priesterin. Die Gläubigen fielen zu Boden, berührten die Erde mit der Stirne. »Lange lebe die Mamaloi, unsere Mutter und Königin, sie, Houdja-Nikon, unsere Gebieterin!« Und sie beteten zu der großen Schlange und die Priesterin nahm ihnen den Schwur ewiger Treue ab. »So soll euer Hirn verfaulen und in euch eure Eingeweide, wenn ihr je das brecht, was ihr schwurt!« Da riefen sie: »Wir schwören drei starke Eide, dir Hougon badagri, Johannes dem Täufer, der du zu uns kommst als Sobagui, als Houedo, der große Vaudouxgott!«
Jetzt öffnete die Mamaloi einen andern Korb, der hinter ihr stand. Hühner griff sie heraus, schwarze und weiße und warf sie hoch in die Luft! Die Gläubigen sprangen vom Boden auf, griffen nach den flatternden Tieren und rissen ihnen die Köpfe ab. Tranken gierig aus den Leibern das frisch strömende Blut. Warfen sie dann zum Dach durch die Luken hinaus: »Für dich, Houedo, für dich Hougon badagri, zum Zeichen, daß wir unsern Eid halten!« Von hinten her drängten sich sechs Männer um die Mamaloi.
Sie trugen Teufelsmasken; Ziegenfelle hingen von den Schultern und die Leiber waren rot mit Blut bemalt.
»Furcht, Furcht vor Cimbi-Kita!« heulten sie. Die Menge drängte zurück, schaffte einen freien Raum, in den sie traten. Ein Mädchen von zehn Jahren führten sie an einem Strick um den Hals. Das Kind sah verwundert um sich, ängstlich, furchtsam, aber es schrie nicht. Es schwankte, vermochte sich kaum zu halten auf den Füßen, völlig trunken von Rum. Der Papaloi trat zu ihm hin: »Azilit gebe ich dich und Dom Pedre, sie mögen dich hintragen zu ihm, aller Teufel größten, zu Cimbi-Kita!« Er streute dem Kinde Kräuter in das krause Wollhaar, Hornstückchen und Haarflecken, legte einen brennenden Scheit darauf. Aber ehe das entsetzte Kind noch mit seinen Händen in die brennenden Haare greifen konnte, warf sich die Mamaloi wie eine Rasende mit einem gräßlichen Schrei von ihrem Korbe herunter. Ihre Finger krampften sich um den schmalen Hals, sie hob das Kind hoch in die Luft und erwürgte es. »Aa-bo-bo!« schrie sie.
Sie schien ihr Opfer gar nicht mehr freigeben zu wollen. Endlich entriß ihr der Oberpriester das leblose Kind und trennte ihm, wie den Böcken, mit einem einzigen Schnitt den Kopf vom Rumpfe. Und dazu sangen die Teufelspriester mit gewaltiger Stimme ihren entsetzlichen Triumphgesang:
»Jnterroges le cimetière,
il vous dira
de nous
ou de la mort
qui des deux fournit
les plus d'hôtes.«
-
Hanns Heinz Ewers, Die Spinne. In: H. H. E., Die Mamaloi. München und Berlin
1974
Schlangenanbeter (4)
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