chlafforschung
Selbst den leichtgläubigen Kraus (s. sein De Selbys Leben)
nicht ausgenommen, gehen alle Kommentatoren an de
Selbys Abhandlungen über Nacht und Schlaf mit beträchtlicher Reserve
heran. Das kann kaum wundernehmen, hat er doch behauptet, daß (a) Dunkelheit
ganz einfach eine Verdichtung »schwarzer Luft« sei, d. h. eine Befleckung der
Atmosphäre, zurückzuführen auf Eruptionen vulkanischer Natur, welche zu schwach
seien, um mit bloßem Auge wahrgenommen zu werden, sowie auch auf gewisse »bedauerliche«
industrielle Aktivitäten, die mit den Nebenprodukten von Kohle und Teer und
pflanzlichen Färbemitteln zusammenhängen; und daß (b) der Schlaf ganz einfach
eine Folge von Ohnmachtsanfällen sei, die durch partielle Erstickung herbeigeführt
werden, welche auf (a) zurückzuführen sind. Dem stellt Hatchjaw seine reichlich
unbedachte und leichtfertige Überlegung entgegen, es handele sich um eine Fälschung,
wobei er auf gewisse ungewohnte syntaktische Konstruktionen im ersten Teil des
dritten sogenannten »Prosa-Canto« in Golden Hours hinweist. Demgegenüber
äußere er allerdings nicht den geringsten Verdacht, es könnten Teile der ähnlich
verheerenden Rodamontade im Layman's Atlas von umstrittenem Ursprung
sein, in deren Verlauf de Selby über »die unhygienischen Verhältnisse, die nach
18 Uhr überall herrschen«, herzieht, und ferner jene berühmte gaffe begeht
zu behaupten, der Tod sei nichts anderes als »das Zusammenbrechen der Herzfunktionen
als Resultat eines an Ohnmachtsanfällen reichen Lebens«. Bassett scheut (in
Lux Mundi) keine Mühe, das Datum der Niederschrift dieser Passagen festzustellen,
und er weist nach, daß de Selby zumindest kurz vor dem Verfassen der in Frage
stehenden Abschnitte wegen seiner chronischen Gallenblasenstörungen hors
de combat war. Man sollte Bassetts vorzügliche Zeittafeln ebensowenig leichtfertig
vom Tisch fegen wie die den Sachverhalt bekräftigenden Auszüge aus zeitgenössischen
Journalen, die sich mit einem ungenannten Ȋlteren Herrn* befassen, welcher
in Privatwohnungen gepflegt wurde, nachdem er auf offener Straße Anfälle gehabt
hatte. Für Leser, die sich ein eigenes Urteil bilden wollen, mag Hendcrsons
Hatcbjaw and Bassett nicht ohne Nutzen sein. Audi die Lektüre von Kraus,
sonst eher unwissenschaftlich und unverläßlich, ist, was diesen Punkt betrifft,
lohnend (Leben, S. 17-37).
Wie bei so vielen von de Selbys Konzepten, ist es auch hier
schwierig, seine Argumentation in den Griff zu bekommen oder seine sonderbaren
Folgerungen zu widerlegen. Seine »Eruptionen vulkanischer Natur«, die wir einmal
der Einfachheit halber mit der infra-visuellen Aktivität solcher Substanzen
wie Radium vergleichen wollen, finden gewöhnlich am »Abend« statt, werden durch
den Rauch und die industriellen Verbrennungen des »Tages« stimuliert und an
gewissen Orten, die wir, in Ermangelung eines genaueren Terminus, »finstere
Orte« nennen wollen, intensiviert. Eine der Sdiwierigkeiten ist eben jene Frage
der Terminologie. Ein »finsterer Ort« ist nur deshalb dunkel, weil an ihm die
Dunkelheit »keimt«, und der »Abend« ist nur deshalb eine Phase des Zwielichts,
weil der »Tag« wegen der stimulierenden Effekte von Ruß, die die Prozesse vulkanischer
Natur nach sich ziehen, mählich verfällt. De Selby meidet die Erklärung, warum
ein »finsterer Ort« wie z. B. ein Keller dunkel sein muß, und ebensowenig definiert
er die atmosphärischen, physikalischen oder mineralogischen Bedingungen, die
gleichförmig an all diesen Orten vorherrschen müssen, wenn seine Theorie standhalten
soll. «Der einzige Strohhalm, den er uns reicht«, um Bassetts trockenen Ausdruck
zu gebrauchen, ist die Feststellung, daß es sich bei »schwarzer Luft« um etwas
extrem leicht Entzündliches handelt und daß bereits die kleinste Flamme enorme
Mengen davon verschlingt, und das gelte sogar, führt er aus, für das in einem
Vakuum isolierte elektrische Glimmen. »Dies«, so führt Bassett seinen Gedanken
weiter, »scheint mir der Versudi zu sein, seine Theorie vor dem Schock zu bewahren,
den man ihr durch das schlichte Anreißen eines Streichholzes versetzen könnte,
und man mag es als den letzten Beweis dafür nehmen, daß sich das Hirn des Olympiers
zeitweilig verdüstert hatte.« - (obr)
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