(pu)
Schlafen (2)
Der Kopf aus Stein zeigt Serapis; im späten Ägypten hatte
dieser Heilgott eine überragende Bedeutung. In den Serapis-Heiligtümern
lief eine Art psychosomatische Therapie ab. Kranke und Geplagte machten
in diesen Tempeln Nickerchen und schliefen sich gesund
- (Spiegel 24/2000)
Schlafen (3)
- (
kliban
)
Schlafen (4)
Schlafen (5) In seiner «Vorläufigen Hypothese der Pangenesis» nannte Charles Darwin die Teilchen des Erbguts gemmulae, «Keimchen»: «Gemmulae werden vermutlich von jeder Zelle oder Einheit ausgestoßen, nicht nur im Erwachsenenstadium, sondern während aller Entwicklungsstufen... Es sind nicht die Fortpflanzungsorgane oder die Knospen, die neue Organismen erzeugen, sondern die Zellen im ganzen Körper.»
Darwin stimmte mit anderen Forschern darin überein, daß seine
Gemmulae zu einem bestimmten Zeitpunkt zu den Geschlechtsorganen wanderten.
Bei der Zellteilung wurden die Gemmulae an die Tochterzellen weitergegeben.
Normalerweise gingen sie von den Eltern auf die Nachkommen über, aber sie
konnten viele Generationen lang in einem schlafenden Zustand bleiben und
sich dann entwickeln. Dies lieferte eine gute Erklärung für die Beobachtung,
daß Erbanlagen eine Generation überspringen konnten und dann wieder auftauchten:
Die Gemmulae schliefen. - Robert Shapiro, Der Bauplan des Menschen.
Frankfurt am Main 1995 (zuerst 1991)
Schlafen (6),
die Vorbedingung der zweiten der Lebenslüste,
nächtliche Kraftspeicherung. Wer nicht ausgeschlafen hat, fühlt sich von
der Freude abgesperrt, ist ärgerlich, unverdaulich,
denkgesperrt, wütend. Der Erfinder
einer Schlafsperrvorrichtung, im Zeitalter der hochgespannten Ströme nicht
mehr undenkbar, würde in wenigen Tagen die davon betroffenen Völker in
Ohnmacht und Verzweiflung versetzen können, und dem Ausnutzer dieser Erfindung
würde in kurzer Zeit der gesamte Reichtum der Welt zufließen. Die freie
ewige Menschheit hat übrigens längst diese Schlafsperre
über alle Unmenschen verhängt und wird sie nun stündlich und täglich
verschärfen, bis aller Reichtum der Welt in ihrer ewigen Hand vereinigt
sein wird. - (
se
)
Schlafen (7) Nichts
ist lauter als ein amerikanisches Hotel; und dabei,
bitte schön, sollte dieses hier eine besonders ruhige, behagliche, altmodische,
gemütliche Herberge sein - «stilvolles Wohnen» etcetera. Das Gerassel des
Fahrstuhlgitters - knappe zwanzig Meter nordöstlich von meinem Kopf, aber
so deutlich vernommen, als wäre es in meiner linken Schläfe - wechselte
mit dem Bummern und Rattern der verschiedenen Manöver dieser Maschine und
hielt bis lange nach Mitternacht an. Direkt
im Osten meines linken Ohrs (ich lag ja auf dem Rücken
und wagte nicht, meine gemeinere Seite dem undeutlich sichtbaren Gesäß
meiner Bettgenossin zuzuwenden) war der Korridor randvoll von fröhlichen,
schallenden, albernen Rufen, die mit einem Hagel von Gute-Nacht-Wünschen
endeten. Als das endlich aufhörte, meldete sich nördlich von meinem Kleinhirn
eine Toilette; es war eine männliche,
energische, rauhkehlige Toilette, und sie wurde oft benutzt. Ihr Gegurgel
und Gerausche und der langanhaltende Nachfluß ließen die Wand hinter mir
erzittern. Dann war jemandem in südlicher Richtung speiübel, er würgte
mit dem Alkohol fast seine ganze Seele aus, und
sein Wasserschwall kam dicht hinter unserm Badezimmer wie ein regelrechter
Niagara heruntergestürzt. Und als die Verzauberten Jäger endlich in tiefem
Schlaf lagen, artete der Boulevard unter dem Fenster
meiner Schlaflosigkeit, westlich meiner Rückseite - ein gesetzter, ganz
und gar dem Wohnen vorbehaltener, würdevoller Boulevard mit riesigen Bäumen
- zum verächtlichen Tummelplatz riesiger Lastwagen aus, die durch die nasse
und windige Nacht röhrten. - (
lo
)
Schlafen (8)
Am 13. April, zwar schon vor 9 Jahren, ging in Ungarn, in der Gespanschaft Neograd
ein Mann verloren namens Andreas Hertzeg, und es war schade für ihn,
denn er war rechtschaffen, ziemlich wohlhabend und noch nicht lange verheiratet.
Man erkundigte sich nach ihm in allen Dörfern, in allen Gespanschaften mündlich,
schriftlich im Wochenblättlein. Niemand wußte wo er hingekommen ist. Sein Bruder
in eirnem andern Dorf sagte zwar, er sei selbigen Morgen bei ihm gewesen. Das
wußte seine Frau auch, und als er gegen Mittag fortging, sagte er, jetzt wolle
er heim. Also hielten ihn zuletzt die Seinigen für tot, legten Trauer an, nach
ihrer Landesart, und veranstalteten ihm eine Seelenmesse. Er selber wußte, sowenig
als die andern Leute, wo er war, und wo er so lange blieb. Aber am 8. August
darauf zuckte etwas in einer Felsenhöhle und streckte sich, und es kam Empfindung
in eine erwachte Brust und es richtete sich etwas auf, und als es auf den Beinen
stand, sagte es zu sich selber: „Bin ich der Andreas Hertzeg, der jüngere? Ich
glaube." Als er aber schlaftrunken vor die Höhle herauskam und sah den
heitern blauen Himmel, und wie es zitterte in der Luft vor Hitze; die Bäume
hingen voll Laub und reifer Früchte, die Heuschrecken und Sommervögel machten
sich lustig, ein Mägdlein in der Ferne griff an einem Weinstock nach den weichen
Beeren; da sagte er zu sich selbst: „Ich kann doch nicht der Andreas Hertzeg
sein. Denn wenn ich der Andreas Hertzeg bin, so hat's geschneit und gestöbert
als ich in die Höhle ging und einschlief, sonst war ich nicht hineingegangen."
Unterdessen kam er immer mehr zu sich, erkannte immer besser die Gegend, und
als er in der Ferne den Kirchturm erblickte, und die Häuser erkannte, und sein
eigenes auch, dachte er: Jetzt will ich bald erfahren, wie ich dran bin, denn
wenn ich der Andreas Hertzeg bin, so muß meine Frau mich kennen. Als er aber
in der freien Luft sich in Bewegung wollte setzen, da war er so kraftlos und
so matt, und als er in die Tasche griff, ob er ein Pfeiflein Tabak rauchen könne,
blieb ihm die ganze Tasche in den Händen, denn auf der Seite, wo er gelegen
war, waren seine Kleider mürb geworden und verfault. Doch kam er mit Not und
Mühe in das Dorf, und seine Frau saß vor der Türe und schabte gelbe Rüben. Da
warf sie, ihren Mann erblickend, in freudigem Schrecken das Messer weg, und
sprang auf ihn zu, und als sie ihn mit Tränen und Liebe umarmen wollte, sagte
er: „Gemach! wirf mich nicht um!" und erkannte, daß er doch der Andreas
Hertzeg sei. Hierauf erzählte sie ihm, wie sie sich um ihn bekümmert und geweint
und wie ihn jedermann für tot gehalten habe, und heute sei der 8. August, und
fragte ihn, wo er unterdessen gewesen, und was ihm zugestoßen sei. „Wenn heute
der 8. August ist", sagte er, „so hab ich weiter nichts als 16 Wochen lang
geschlafen in der Felsenhöhle bei Berceßno." Und so war's auch. Sechzehn
Wochen hatte er geschlafen ohne Speise, ohne Trank, ohne Deckbett und ohne Pfulben,
und war jetzt wieder da. - (
hebel
)
Schlafen (9) Es
gibt Fälle, in denen der Schlaf mehr Schaden anrichtet, als er nützt, bei jener
phlegmatischen, schweinischen, kalten und trägen Form der Melancholie
nämlich, von der Melanchthon spricht und die sich durch häufiges Seufzen
und eine Art Wassersucht verrät. Ist sie im Übermaß vorhanden, schläfert sie
die Lebensgeister ein und stumpft die Sinne
ab. Sie füllt den Kopf mit dickflüssigen Säften und
verursacht nach Fuchsius bei allen denen, die wie die Murmeltiere schlafen,
Erkältung, Katarrhe, Rheuma und krankhafte Absonderungen im Hirn und den übrigen
Organen. Wer am Tage, wenn der Körper nicht darauf eingestellt ist, womöglich
noch mit vollem Magen und nach einem schwerverdaulichen Mahl, ruht, bei dem
können zunehmend Angstträume, Alpdruck, Somnambulismus
auftreten, er redet im Schlaf und erwacht wie zerschlagen.
-
(bur)
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