child Ich stellte fern vom Bett eine Ampel auf, daß meinen Blicken des Mörders Tun nicht entginge. Und er kam. Schleichend. Der Türspalt entließ ihn ins Zimmer. Er suchte die Lagerstatt. Seine Hände waren kahl und braun. Um den Leib war er fest gegürtet mit einer roßledernen Weste. Sein Oberkörper war entblößt und glänzte ölig. Die Arme waren mit pergamentenen Schuppen gepanzert. Wie die Haut eines Krokodils. Doch weißlich und wächsern. Und er war groß an Gestalt. Und ohne Gesicht. Nur ein Grinsen war ihm gegeben. Er ließ es spielen, als er das Weib erblickte. Eine Hand streckte er aus nach den unverborgenen Hügeln der Brüste. In der anderen sah ich ein Blitzen von Stahl. Ich wollte schreien; doch schrie ich nicht. Ich war ohnmächtig; doch bewegte ich mich. Mit meinen Schultern warf ich mich in die Bahn der Waffe. Ein Schmerz. Ein kaltes Knirschen. Eine Leere in der Milz, als wäre mir der Nabel ausgelaufen. Ein klebriges Naß schien sich ins Bett zu ergießen. Ich schämte mich fröstelnd, weil mein Erinnern trübe wurde; und mein mattes Herz nicht bänger des Weibes Schicksal zu wissen begehrte. Allmählich begriff ich, daß mein Blut die Laken rot besudelt hatte. An meinem Rücken klaffte eine Wunde. Der Geliebten Fleisch war unberührt.
Es kam die zweite Nacht. Sie glich der ersten. Doch war die Furcht verdoppelt. Die Wunde meines Rückens schmerzte. Die Kraft eines Armes war gelähmt. Ich war plump in meinen Bewegungen. Ich war nicht sicher, ob ich mich geschickt genug vor den Blitz des Eisens würde werfen können, um das Herz der Geliebten zu schützen. Mit dem unnatürlichen Mut eines Fiebernden gelang es mir ein zweites Mal. Ich stieß mich in die Luft hinein und fiel zu Boden wie ein zerklaffter Schild. Bewußtloser als am ersten Abend.
Es kam die dritte Nacht. Meine Schwäche hatte in schlimmer Weise zugenommen. Ich vermochte nichts gegen das Zittern, das meinen Körper schüttelte. Ich fürchtete nicht Schmerzen, nicht neue Verstümmelung, nur die Ohnmacht beim Anblick des Schlächters. Ich wünschte, daß sein Messer meine Rippen durchdringe und das Herz oder die Nieren fände. Aber auch in dieser Nacht schälte es Schwarten von meinen Rippen. Und schonte die Eingeweide. Es kam die vierte Nacht. Das Weib hatte mir kräftigende Speisen eingeflößt, Brühe und Wein, Eselsmilch und Enteneier. Aber ich lag da, nicht fähig den Wunsch meines Geistes zu erfüllen. Ich weinte. Und verfluchte mich, daß ich nicht gestorben war. Und ein jähzorniger Haß stieg in mir auf, wie ihn nur der Entmannte kennt. Aber ich wußte nicht, wen ich haßte. Denn ich haßte mich. Ich schob meinen Oberkörper über die Brüste des Weibes und wartete auf den Streich des Mörders. Und er kam wie alle Nächte vordem und schonte mich nicht.
Es kam die fünfte Nacht. Mein Rücken war zerfleischt und fast enthäutet. Ich schrie vor Angst bei dem Gedanken, daß das Messer erneut an ihm schneiden würde. Ich flehte das Weib an, einen anderen Körperteil opfern zu dürfen. Die Brust. Die Freundin bangte um mein Herz. Den Bauch. Ach, die süßen Eingeweide. Den schwellenden Teil meiner Oberschenkel.
Sie aber riß die Verbände von meinen Wunden, daß sie erneut aufbrachen. Sie
legte mich, blutüberströmt, unbekleidet vor die Kammertür. Der Mörder kam. Er
stieß mit den Füßen gegen mich. Er beugte sich über mich. Er betrachtete mich.
Er hob mich auf, trug mich auf die Straße. Er ging einige Dutzend Schritte mit
mir fort. Dann warf er mich von seiner Schulter herab in den Kot. Und verschwand.
- (
jah
)
Schild (2) Der alte
Held ging vor den Thoren des Pailastes langsam vorüber. Eine Stimme rief seinen
Namen im Innern. Er lehnte sich an das Thor, das mit einem sanften Klange sich
öffnete, und trat in den Saal. Seinen Schild hielt er vor die Augen. Hast du
noch nichts entdeckt? sagte die schöne Tochter Arcturs, mit klagender Stimme.
Sie lag an seidnen Polstern auf einem Throne, der von einem großen Schwefelkrystall
künstlich erbaut war, und einige Mädchen rieben ämsig ihre zarten Glieder, die
wie aus Milch und Purpur zusammengeflossen schienen. Nach allen Seiten strömte
unter den Händen der Mädchen das reizende Licht von ihr aus, was den Pallast
so wundersam erleuchtete. Ein duftender Wind wehte im Saale. Der Held schwieg.
Laß mich deinen Schild berühren, sagte sie sanft. Er näherte sich dem Throne
und betrat den köstlichen Teppich. Sie ergriff seine Hand, drückte sie mit Zärtlichkeit
an ihren himmlischen Busen und rührte seinen Schild an. Seine Rüstung klang,
und eine durchdringende Kraft beseelte seinen Körper. Seine Augen blitzten und
das Herz pochte hörbar an den Panzer. Die schöne Freya schien heiterer, und
das Licht ward brennender, das von ihr ausströmte. Der König kommt, rief ein
prächtiger Vogel, der im Hintergrunde des Thrones saß. - Novalis, Heinrich
von Ofterdingen
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