cheusal  Einst lebte in Kairo, der wohlverwahrten Stadt, ein Schuhflicker, der alte Schuhe ausbesserte; der hieß Ma'rûf. Er hatte auch eine Frau, die den Namen Fâtima trug und mit Beinamen das Scheusal genannt wurde; diesen Beinamen hatte man ihr nur deshalb gegeben, weil sie frech und boshaft war, arm an Scham, aber reich an Ränken. Sie herrschte über ihren Mann, und jeden Tag beschimpfte und verfluchte sie ihn wohl tausendmal. Er aber fürchtete sich vor ihrer Bosheit und ängstete sich vor ihrem argen Tun; denn er war ein Mann von milder Art, der auf seinen guten Ruf bedacht war, doch er war arm an Geld und Gut. Wenn er viel durch seine Arbeit verdienter so mußte er es für sie ausgeben; hatte er aber wenig erarbeitet, so ließ sie ihre Wut noch in selbiger Nacht an seinem Leib aus und raubte ihm die Gesundheit und machte die Nacht für ihn so schwarz wie das Buch ihrer Taten; ja, sie war, wie der Dichter von ihr gesungen hat:

Wie manche Nacht verbrachte ich bei meiner Gattin!
Doch was ich da erlebte, das war schauderhaft.
Hätt ich doch in der Hochzeitsnacht zum Gift gegriffen
Und sie dann mit dem Gifte aus der Welt geschafft!


 
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Scheusal  (2)   Auf dem Planeten erschien ein riesiges unbekanntes Scheusal, dessen gräßlicher Ruhm alsbald beide Halbkugeln überlief. Niemand hatte es aus der Nähe gesehen, denn wer sich hinwagte, kam nicht mehr heim. Der Ursprung des Scheusals blieb dunkel. Die Greise behaupteten, seine Brutstätte seien riesige Wracks und weithin verstreute Tantal- und Osmiumscheiben, die Überreste der von Asteroiden zermalmten Stadt Bismalia; denn die war nicht wiederaufgebaut worden. In sehr altem Magnetschrott schlummere manch böse Kraft, sagten die Greise; in Metallen gebe es heimliche Ströme; der Anstoß eines Gewitters wecke sie zuweilen. Und aus knirschigem Blechgekreuch, aus totem Rutsch des Trummerfriedhofs entstehe dann ein Scheusal, unfaßlich, weder lebend noch tot, und es bringe nur eines zuwege: die Aussaat grenzenloser Zerstörung. Andere behaupteten wieder, durch böses Tun und Denken entstünde die Kraft, die solch einen Unhold schaffe. Der Nickelkern des Planeten würfe dies alles zurück wie ein Hohlspiegel; solcherart an einer Stelle gesammelt, schöbe das Böse nun blindlings Metallgerippe und verrottete Trümmer gegeneinander, bis sie sich zum Monstrum verwüchsen. Doch die Gelehrten verspotteten solche Geschichten und nannten sie Faselei. Aber wie dem auch sein mochte: das Ungeheuer verwüstete den Planeten. Anfangs mied es größere Städte, überfiel nur einsame Weiler und zerstörte sie mit Weißglut und Lilaglut. Später wurde es dreister, und sogar von den Türmen der Hauptstadt aus war sein Kamm zu sehen. Der flitzte den Horizont entlang, einem Gebirgskamm ähnlich und ganz aus Stahl, worin sich das Sonnenlicht spiegelte. Heerfahrten rückten dem Ungetüm entgegen, doch mit einem einzigen Hauch machte es die Gewappneten zu Dampf.- Stanislaw Lem, Robotermärchen. Frankfurt am Main 1973 (st 2673, zuerst 1964)

Scheusal  (3)   Auf dem Kaminsims stand eine brennende Kerze, hinter der ein langer schmaler Spiegel hing, und als ich mir die Pfeife anzünden wollte, fiel mein Blick auf mein Bild darin. Ich hielt inne und betrachtete es nachdenklich. Das Streichholz brannte weiter, bis es mir die Finger versengte und ich es wegwerfen mußte; doch ich blieb stehen und starrte, tief in Gedanken versunken, auf mein Spiegelbild.

»Hoffentlich«, sagte ich schließlich laut, »werde ich es einmal mit dem, was in meinem Kopf drin ist, zu etwas bringen, denn mit seinem Äußeren wird wohl kaum viel auszurichten sein.«

Diese Bemerkung dürfte dem Leser ziemlich unverständlich sein, und deshalb möchte ich hinzufügen, daß ich damit auf meine körperlichen Mängel anspielte. Die meisten Männer im Alter von zweiundzwanzig Jahren besitzen wenigstens in mehr oder weniger starkem Grad die Anmut der Jugend, doch mir war selbst diese versagt. Klein und untersetzt, mit einer unförmig breiten Brust, langen mageren Armen, plumpen Gesichtszügen, tiefliegenden grauen Augen, einer niedrigen, halb von dichtem schwarzem Haar überwucherten Stirn - so sah ich vor einem Vierteljahrhundert aus, und daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Ich war gebrandmarkt wie Kain - von der Natur gebrandmarkt mit einer ungewöhnlichen Häßlichkeit; doch die Natur hatte mich auch mit einer stählernen Kraft und ansehnlichen geistigen Fähigkeiten ausgestattet. So häßlich war ich, daß meine stets peinlich auf ihr Äußeres bedachten Studienkollegen, so stolz sie auf meine körperliche Kraft und Gewandtheit und meine sportlichen Leistungen waren, sich nur ungern mit mir zusammen sehen ließen. War es ein Wunder, daß ich menschenscheu und schwermütig wurde, daß ich mich zurückzog, am liebsten allein arbeitete und keine Freunde hatte - oder zumindest nur einen? Die Natur hatte mich dazu bestimmt, einsam zu leben und nur an ihrer Brust Trost suchen zu dürfen. Frauen stieß mein Anblick ab. Erst eine Woche zuvor hatte mich eine, als sie glaubte, ich könne es nicht hören, ein Scheusal genannt und geäußert, ich hätte sie davon überzeugt, daß der Mensch vom Affen abstamme. Nur einmal hatte eine Frau Neigung zu mir geheuchelt, und ich hatte sie mit meiner ganzen aufgestauten Zärtlichkeit überschüttet. Doch dann erhielt ein anderer eine kleine Erbschaft, auf die ich gerechnet hatte, und sie wandte sich von mir ab. Ich flehte sie an wie nie zuvor oder danach einen anderen Menschen, mich nicht zu verlassen, denn ich war vernarrt in ihr süßes Gesicht und liebte sie von ganzem Herzen; und zur Antwort führte sie mich schließlich vor einen Spiegel, stellte sich neben mich und schaute hinein.

»Nun«, sagte sie, »wenn ich schön bin, was sind dann wohl Sie?« - Henry Rider Haggard, Sie. Zürich 1970 (zuerst ca. 1886)

Scheusal  (4)   Heute sah ich einen Typ, einen Verrückten, ein Scheusal, einen von den Menschen, die ans Abgründige grenzen, die in ihren Ausschweifungen die ärgsten menschlichen Instinkte verraten. Bei ihm sah ich, wie durch einen Schleier, der zerreißt, den scheußlichen Bodengrund des Menschen aufschimmern, eine erschreckende Seite der blasierten Geldaristokratie, der englischen Aristokratie: die Grausamkeit bei der Liebe, die Ausschweifung, die nur im Schmerzzufügen Genuß findet.

Saint-Victor hatte mir mit großer Verwunderung von einem jungen Engländer gesprochen, den Gaiffe ihm auf dem Opernball vorgestellt hatte und der zu ihm gesagt hatte, in Paris könne man sich kaum amüsieren, London sei da eine ganz andere Sache! In London gäbe es ein sehr gutes Haus, das Haus von Mrs. Jenkins, wo man dreizehnjährige Mädchen fände, mit denen man erst Schule spiele; dann peitsche man sie, die kleinen nicht sehr stark, die großen aber bis aufs Blut.

»Man kann ihnen auch Nadeln einstechen . . . oh, keine sehr langen . . . nur etwa so lang«, und er zeigt die halbe Länge des Fingers. »Dann kommt Blut . . . Wenn sie schreien, gibt es Matratzen.«  - (gon)

Ungeheuer
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Xanthippe