cheu Ich
glaube, daß die Hobbits heutzutage einer Beschreibung bedürfen, da sie selten
geworden sind und scheu vor den »Großen Leuten«, wie sie uns zu nennen pflegen.
Sie sind (oder waren) ungefähr halb so groß wie wir und kleiner als die bärtigen
Zwerge (sie tragen jedoch keine Bärte).
Es ist wenig, sozusagen gar nichts von Zauberei an
ihnen, ausgenommen die alltägliche Gabe, rasch und lautlos zu verschwinden,
wenn großes dummes Volk wie du und ich angetapst kommt und Radau macht wie Elefanten,
was sie übrigens eine Meile weit hören können. Sie neigen dazu, ein bißchen
fett in der Magengegend zu werden. Sie kleiden sich in leuchtende Farben (hauptsächlich
in Grün und Gelb). Schuhe kennen sie überhaupt nicht, denn an ihren Füßen wachsen
natürliche, lederartige Sohlen und dickes, warmes, braunes Haar, ganz ähnlich
wie das Zeug auf ihrem Kopf (das übrigens kraus ist). Die Hobbits haben lange,
geschickte, braune Finger, gutmütige Gesichter, und sie lachen ein tiefes, saftiges
Lachen (besonders nach den Mahlzeiten; Mittagessen halten sie zweimal am Tag,
wenn sie es bekommen können). - J.R.R. Tolkien, Der kleine Hobbit. München
1974 (dtv 7151, zuerst 1937)
Scheu (2)
Als eines Abends die Magd beim Schein eines Kerzenlichts im Eßzimmer das
Geschirr in den Schrank zurückstellte, kam Haudouin vorbei und verspürte ein
jähes Gelüste, wie's einen Brotgeber und Dienstherm eben zuweilen anwandeln
kann. Und wie er nun seine männlichen Vorkehrungen traf, hob sie folg- und fügsam
die Röcke und entblößte just soviel nackte Haut,
als dazu unumgänglich nötig war. Bei diesem unkeuschen Anblick lief der Meister
krebsrot an, er hielt nur mehr schlappe Ohnmacht in der Hand und blickte zur
Seite auf das Bildnis des Präsidenten der Republik. Das ernste Antlitz Jules
Grévys, sein stierer und argwöhnischer Blick brachte
Haudouin vollends aus aller Fassung. Ein Gefühl frommer angstvoller Scheu ergriff
ihn angesichts des überirdischen Mahners, als der ihm der Präsident
vorkam, und er blies die Kerze aus. - Marcel Aymé, Die grüne Stute. Reinbek bei
Hamburg 1964 (rororo 402, zuerst 1932)
Scheu (puritanische) Eine Gruppe homosexueller Flieger hatte ich in einem Offiziersclub kennengelernt. Sie waren elegante Burschen, parfümiert und mit Monokel versehen und gewöhnlich voller Heroin oder Kokain. Sie liebten sich wechselseitig ganz offen, küßten sich in Café-Nischen und verdrückten sich etwa um 2 Uhr nachts in ein Haus, das einem von ihnen gehörte. Ein oder zwei Frauen befanden sich gewöhnlich in der Gesellschaft - breitmündige, dunkeläugige Nymphomaninnen mit Titeln vor ihren Namen, doch mit unedlen Leidenschaften und Ausschnitten an ihren Flanken. Gelegentlich wurden der Haus-Gesellschaft kleine Mädchen von zehn oder elf Jahren zugeführt, die man vom Pflaster der Friedrichstrasse rekrutierte, wo sie nach Mitternacht mit harten Gesichtern in polierten Stiefeln und kurzen Kinderkleidern paradierten.
Ich begleitete sie scheu. Drogen und Perversionen übten keinerlei
Reiz auf mich aus, wohl aber die Geschichten, die ich hörte. Ich hörte Geschichten
von des Kaisers Idiotie, seinen Amouren, seinem Atheismus und seiner Feigheit;
Geschichten von eigenartiger Liebe zwischen Generälen und Leutnanten, woraus
die Niederlagen in Schlachten resultierten. - Ben Hecht, Ein Kind des
Jahrhunderts. [Auswahl.] Siegen 1985
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