cheidung  Doktor Gieseke  trat aufs neue in Funktion, er setzte sich mit dem Gatten in betreff des Scheidungsgrundes in Verbindung, „beiderseitige unüberwindliche Abneigung" ward festgesetzt, und der Prozeß begann - Tonys zweiter Scheidungsprozeß, dessen Phasen sie mit Ernst, Sachkenntnis und ungeheurem Eifer verfolgte. Sie sprach davon, wo sie ging und stand, so daß der Konsul mehrere Male ärgerlich wurde. Sie war fürs erste nicht imstande, seinen Kummer zu teilen. Sie war in Anspruch genommen von Wörtern wie „Früchte", „Erträgnisse", „Akzessionen", „Dotalsachen", „Tangibilien", die sie, den Kopf zurückgelegt und die Schultern ein wenig emporgezogen, mit würdevoller Geläufigkeit beständig hervorbrachte. Den tiefsten Eindruck von Doktor Giesekes Auseinandersetzungen hatte ihr ein Paragraph gemacht, der von einem etwaigen im Dotalgrundstück gefundenen „Schatze" handelte, welcher als Bestandteil des Dotalvermögens anzusehen und nach Beendigung der Ehe herauszugeben sei. Von diesem Schatze, der gar nicht vorhanden war, erzählte sie aller Welt.  - Thomas Mann, Buddenbrooks

Scheidung (2)  Bei Scheidungen von jungen Ehepaaren wird die Härte der Auseinandersetzung durch die Existenz von Kindern, für die oft beide Elternteile weiterhin gemeinsam sorgen müssen und die sie trotz allem noch mehr oder weniger lieben, häufig gemildert, aber bei Scheidungen nach langjähriger Ehe, wo es nur noch um finanzielle Interessen und Fragen der Besitzaufteilung geht, kommt es zu Kämpfen, deren Grausamkeit keine Grenzen kennt. Damals war ihm klar geworden, worin der Anwaltsberuf wirklich bestand, er hatte die Mischung aus Gerissenheit und Faulheit genau ermessen können, in der sich die Berufspraxis eines Anwalts und ganz besonders die eines Scheidungsanwalts zusammenfassen ließ. Das Verfahren hatte über zwei Jahre gedauert, zwei Jahre, in denen der Kampf immer erbitterter wurde - mit dem Ergebnis, dass sich seine Eltern so abgrundtief hassten, dass sie sich bis zu ihrem Tod nie wiedersahen und nicht einmal miteinander telefonierten -, und all das führte zu einem Scheidungsurteil von niederschmetternder Banalität, das jeder Dummkopf in einer Viertelstunde hätte abfassen können, vorausgesetzt, er hatte Scheidung für Dummies gelesen. Es war erstaunlich, hatte er sich mehrmals gesagt, dass in Scheidung lebende Eheleute sich nicht öfter dazu hinreißen ließen, ihren Ehepartner zu ermorden - entweder persönlich oder mit Hilfe eines bezahlten Killers.

Die Angst vor der Polizei, hatte er schließlich begriffen, war eindeutig die wahre Grundlage der menschlichen Gesellschaft, und so hatte er sich gewissermaßen ganz selbstverständlich dem Auswahlverfahren für externe Bewerber unterzogen, um in den Polizeidienst einzutreten.  - Michel Houellebecq. Karte und Gebiet. Köln 2011

 

Trennung Ehe

 

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