»Kätzchen, mein Meerrettich geht unter.«
Ohne Zögern dürfen wir gestehen, daß wir in diesen Satz von Ilse Aichinger
nicht eindringen können. Seine Konstruktion unterläuft die Regeln, nach denen
wir Sätze einer Sprache verstehen können, an zwei Punkten: Einmal mit der Behauptung,
daß Meerrettich »untergehen« könne, zweitens mit der Idee, daß dieser Vorgang
für eine Katze von Belang sei. Was tun? Der Satz steht in den tagebuchartigen
Aufzeichnungen Kleist, Moos, Fasane (1987), und zwar inselhaft isoliert,
ohne Umfeld, auf das er sich beziehen könnte. Die Schleiermachersche Grundregel,
wonach wir für eine Auslegung auch andere Sätze des gleichen Verfassers heranziehen
dürfen, hilft uns hier nicht weiter. Will der Satz, daß wir schweigen?
Das wollen wir auch nicht annehmen, weil wir denken, daß sich jeder Satz, auch
dieser, gegen ein anderes, schon vorhandenes Schweigen richtet. - Wilhelm Genazino, Achtung Baustelle.
Frankfurt am Main 1998
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