Sarkasmus-Detektor  Die Aufgabe, Sarkasmus mit Informationstechnologie zu erkennen, dürfte mehr als anspruchsvoll sein, denn auch bei Menschen führt diese Form des Humors häufig zu Missverständnissen - erst recht, wenn sie in Textform geäußert wird und andere Informationsquellen wie Mimik und Sprachklang fehlen.

In totalitären Systemen hatten sich Humor und Ironie mit als die schärfsten Waffen zum Widerstand erwiesen. Ironie beansprucht mit die feinste Form der Wahrnehmung; Versuche, sarkastische Äußerungen zu kontern, misslingen häufig und führen oft zu Missverständnissen, etwa dann, wenn das Original zensiert wird und damit der Bezugspunkt fehlt.

An gewisse Grenzen dürfte eine solche Software allerdings geraten, wenn clevere Attentäter in Kenntnis dieser Technologie Sarkasmus nur vortäuschen und damit unbehelligt in aller Öffentlichkeit ihre Anschläge planen, da man ihre Kommunikation für Flachs hält. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden solche Systeme nicht allein mit Texterkennung auskommen, sondern Big Data nutzen, um zuverlässige Profile zu erstellen. Gegebenenfalls werden Websites von Scherzkeksen auch heimlich markiert - etwa mit Scherz-Cookies.

Ein dankbares Testobjekt für einen Sarkasmusdetektor bietet seit dieser Woche der Partnerdienst CIA, der nunmehr einen eigenen Twitter-Account betreibt und mit dem Bonmot startete, man könne weder bestätigen noch abstreiten, dass es sich hierbei um den ersten Tweet der CIA handele.

Auch der Secret Service selbst legte gut vor: nämlich mit der Ausschreibung des Sarkasmus-Detektors - denn normalerweise verraten Geheimdienste ihre Tricks nicht, schon gar nicht in der Planungsphase. Unter Geheimdienstlern mutet derartiges ähnliche peinlich an wie ein CIA-Chef, der sich wegen unverschlüsselten E-Mails bei seinem Seitensprung ertappen lässt.

Sollte tatsächlich eine Software halbwegs zuverlässig zur Einstufung von Texten als Sarkasmus in der Lage sein, könnte das die Überwachungsindustrie auf ein neues Level heben. Vermutlich würden einen solchen Sarkasmus-Detektor auch andere US-Dienste einsetzen, etwa INSCOM, der die Anlagen der NSA schützt, damit diese das Militär schützt, das dann wiederum die USA schützt, um uns zu schützen.

Stünde INSCOM die Technologie bereits heute zur Verfügung, vielleicht wäre dann bei Daniel Bangert nicht der Staatsschutz einmarschiert, als er mit seinem "NSA Spion Schutzbund" zum Dagger Complex spazierte. Obwohl seine satirischen Forschungsexpeditionen am Griesheimer Spion-Gehege inzwischen ein breites Medienecho ausgelöst hatten, wurde Bangert auch in den letzten Wochen noch von eifrigen Polizisten und nervösen Spionen gegängelt.

Wenn also eine Software eines Tages tatsächlich in der Lage sein wird, zuverlässig zu erkennen, wie ein Text denn tatsächlich gemeint ist, wäre es vermutlich nur noch ein kleiner Schritt zu einer Softwareversion der vom Satiriker Douglas Adams postulierten Blickwinkelkanone. Mit ihr könnten US-Dienste ihr eigenes Land digital mit den Augen ihrer Gegner betrachten. So würde US-Sicherheitsbehörden vielleicht auffallen, dass sich in den USA 30.000 Menschen jährlich gegenseitig erschießen, während in den letzten drei Jahrzehnten im Durchschnitt nur 100 US-Amerikaner pro Jahr durch Terrorismus umkamen.

Auch die Zahl jährlich getöteter US-Soldaten scheint unter der von Frauen zu liegen, die in den USA durch ihre Partner getötet werden. Demgegenüber empören sich viele Länder darüber, dass die USA fliegende Tötungsroboter über ihr Gebiet entsenden und von dort aus "Verdächtige" mit Hellfire-Raketen auf Verdacht exekutieren - manchmal nur wegen einer Namensverwechslung.

Eine solch intelligente Software birgt allerdings auch die Gefahr, beim Secret-Service-Agenten gefährliche Denkprozesse auszulösen. So könnte etwa die Erkenntnis reifen, dass es moralisch gesehen vertretbarer wäre, US-Präsidenten besser selbst zu erschießen, als sie zu schützen. Zu ähnlichen Ergebnissen war man möglicherweise 1963 gelangt - wenn auch aus anderen Wertvorstellungen heraus. Gut informierte Secret-Service-Agenten wären daher folglich gezwungen, sich selbst zu überwachen und dürften für den Sarkasmus-Detektor dann reichlich Herausforderungen im eigenen Haus finden.  - Markus Kompa, Telepolis vom 7.6.2014

 

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