amstagabend
Der Tanz vom Samstagabend, der Tanz der in der Abfalltonne
verfaulenden Warzenmelonen, der Tanz von frischem grünem Rotz und schmierigen
Salben für die empfindlichen Teile. Der Tanz des Musikautomaten und der Ungeheuer,
die ihn erfunden haben. Der Tanz der Schießeisen und der Gangster, die sie gebrauchen.
Der Tanz der Totschläger und der Ganoven, die Gehirne zu blutigem Brei schlagen.
Der Tanz der Zünderwelt, des Funkens, der zündet, des leisen Surrens des vollendeten
Mechanismus, des Radrennens auf einer Drehscheibe, des Dollars zum Nennwert
und der abgestorbenen, verstümmelten Wälder. Der Samstagabend des leeren Tanzes
der Seele, jeder hüpfende Tänzer eine funktionelle Einheit im Veitstanz des
Kellerasseltraums. Laura, die Nympho, schwenkt ihre Scheide, ihre süßen Rosenblattlippen,
bewehrt mit Greifern auf Kugellagern, ihr Hintern
ist wie ein eingedellter Ball. Zoll um Zoll, Millimeter um Millimeter schieben
sie ihren sich paarenden Leichnam herum. Und dann peng! Wie abgeschaltet hört
plötzlich die Musik auf, und die Tanzenden lösen sich voneinander, Arme und
Beine unversehrt, wie auf den Grund der Tasse sinkende Teeblätter. Jetzt ist
die Luft blau von Worten, ein leises Schmurgeln wie von Fisch in der Pfanne.
Das Geschwätz der leeren Seele steigt wie Affengeschnatter in die höchsten Zweige
der Bäume auf. - (wendek)
Samstagabend
(2) Es ist Samstagabend, gegen 9 Uhr in Rom, eine
schwarze Nacht, und die Straßen, wie gesagt, düster. Nun gehen sie alle in Pizzerias
und Ristorantes und quatschen. Heulende Düsenflugzeuge über dem kühl ausdünstenden
Park der Villa Massimo, mein Nervensystem ist so offen, ich tippe einfach drauflos,
noch unverständlicher, ja, verschlungen, fliegen möchte ich gar nicht, auch
das Labyrinth ist schön und aufregend, denn aufregend
ist in dieser langweiligen Welt schön, warum schreibst Du nicht einfach, und
regst mich schön auf, ich ziehe mich jetzt nackt aus, ich fasse mich am Schwanz
an, ich tanze im Zimmer herum, ich lege die Jacke ab, ich grinse - noch etwas
blöd verschämt - ich ziehe das Hemd aus, ich drehe mich um, mein Penis schlenkert
herum, ich sehe Dich an, jetzt hab ich nichts mehr an, ich tanze in einigen
weniger grazilen, als vielmehr tanzenden Bewegungen herum, in dem weichen gelben
Lampenlicht, in dem Zimmer - siehst Du mich? Jetzt? Ist auch ein bißchen zum
Lachen! Und Ausschweifung! Total geheime! Unter
uns! He, Maleen, Du mit dem schönen seltenen Namen! Und mit der weißen Haut!
Und dem lieben Gesicht! Zieh Dich aus! - (
rom
)
Samstagabend (3)
Lied am Samstagabend in Köln Da sind gespenstische Wörter: Sehr geehrte Herren, gesteckt, aus Angst, und sie leben. Muß ich sie mein Leben lang vor mir, Velvet Underground Musik von 1969 im elektrisch Neonlichter, roter, blauer Regen, zerlaufene Reklame ein starker gleichmäßiger Rhythmus von Tagen. Sie zeigt zwischen ihre Titten, die schaukeln. eine kulturelle Sendung, Liveausschnitt. auf die Straße. Ich blättere in 1835. Die Umgebung Erfindung der Vergangenheit und kann meinetwegen draußen zu machen. Ich unterbreche und mache einen Tanz übrig wie Schiefertafeln, Rechenkolonnen, nasse Interessantes daran finden. Der Krieg hat nicht in der Luft," düstere Flocken, Den großen Monstern. Sie arbeiten damit. Die Wortidyllen haben Häute. Man muß sie abziehen. schreibe. Ich lese: „Schattenbegriffe, ein Glimmer, der zweifelhaft ist, Geschichte und ihre Fortsetzung liebt? Feine zarte ist eine kurze Geschichte, vielleicht dreihundert am nächsten Morgen, ohne die traurige |
- Rolf Dieter Brinkmann, Wesrwärts 1& 2. Gedichte. Reinbek
bei Hamburg 1975 (dnb 63)
Samstagabend (4) Die Zimmerdecke, weiß und leicht gewölbt, Schale eines Eis, ich dachte, j eden Moment bräche sie auf, ein dotterverschmiertes Monstrum fiele herab.
Eine Art spätehelicher Samstagabendbeischlaf- mehr war es nicht mehr. Samstäglicher
als die Lottoziehung. «Ich fiihl mich wie ein totes Schwein, das im Wasser treibt,
mit geblähtem Bauch, und Fische benagen mich.» «Findest du das erotisch?» «Tschuldigung.»
Schweigend stieß ich weiter. - Helmut Krausser, Schweine und
Elefanten. Reinbek bei Hamburg 1999
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