ammlerin  

 - Joel-Peter Witkin

Sammlerin  ⁽²⁾  Unser Ziel waren Kellergewölbe. Hierin trug emsig der Trödler Gassert alles, was die Stadt Dresden ganz und gar und absolut nicht mehr brauchen konnte. Bei Hinterlassenschaften, wenn alles weggeschleppt ist, bleibt immer noch ein Rest. Armselig, verrostet, vergilbt, vergammelt, gebrochen vom ersten Kinderschuh über das gedörrte Brautboucet bis zu den Ein-gew'eiden einer Standuhr... Ich hatte mich angereichert, soweit ich es erinnere, mit einer langen Rolle, einer Jalousie aus Kleiderstoff, die ich als Mal-Leinwand zu nützen gedachte. Einem chinesischen Frauenschuh, weinrotem Samt mit Pailletten bestickt, der eine entzückende Form hatte. Eine Muffschachtel, in der sich einige Kilo Knöpfe befanden, einen Holzteller aus Lindenholz, ganz leicht, ganz weiss, ganz dünn ausgedrexelt. Er dient mir noch. Freilich: halboval ist er. Mehrmals am Rand verbrannt - weil er dem Gas zu nahe gekommen war. Von mir dann liebevoll abgeschabt; so dass er sein edles Rund verlor und die eine Hälfte schäbig oval geworden ist. So behauptet er sich noch heute auf meinem Küchentisch.

Unser besonderes Interesse aber galt den gemischten Bergen in den Ecken, Haarkämmen, Lampenfüssen, Resten von Angelgeräten, Kinderschnullern, noch gut erhaltenen Resten von Bestecken (vielleicht hatten sie noch etwas Metallwert)... Ein halber Globus. Er sollte bald der Säule einverleibt sein. Packnadeln, gekrümmte und grade. Korkenzieher, eine ganze Kiste voll. Töpfchen, in denen einmal Mixturen jeder Art gewesen waren,... Radiermesser und Brieföffner - alles von Gassert feinsäuberlich in Kästen oder in Haufen und Häufchen auf der Erde geordnet.

In solchen Momenten kann mich die Heiterkeit überwältigen und ich verliere die Kontenance und lache, lache.

Da wurde Kurt Schwitters  wütend. Es war wohl das einzige Mal, daß er durch mich böse geworden war. - Hannah Höch, nach: Hanne Bergius, Das Lachen DADAS.  Die Berliner Dadaisten und ihre Aktionen. Giessen 1989