ack, kalter   Unter dem hohen Baum, von Sträuchern halb verdeckt, lag ein schwarzer Artgenosse, der alle Glieder von sich gestreckt hatte. Nur schlief er nicht. Es war auch kaum anzunehmen, daß er in Zukunft weder aktiv noch passiv eine Tätigkeit würde ausüben können. Er war, wie der gemeine Bauer sagt, mausetot. Um genauer zu sein: Es handelte sich um die bereits in Verwesung begriffene Leiche eines Artgenossen. Aus seinem vollkommen zerfetzten Nacken war all sein Blut hinausgeflossen, das erst eine große Lache gebildet hatte und dann getrocknet war. Aufgeregte Fliegen kreisten über ihm wie Geier über dem verendeten Vieh.

Der Anblick war ein Schock, doch meine Empfindsamkeit hatte nach all dem, was ich heute bereits über mich hatte ergehen lassen müssen, merklich nachgelassen. Innerlich verfluchte ich Gustav jetzt zum tausendsten Male, weil er mich in diese nunmehr bewiesenermaßen mörderische Gegend gezerrt hatte. Ich war paralysiert und wünschte mir, daß das alles ein Traum oder zumindest einer dieser neunmalklugen, »realistischen« Trickfilme, die man gelegentlich über unsere Art macht, gewesen sei.

»Dosenöffner!« sagte plötzlich das Monster neben mir, mit einer Stimme, die genauso deformiert war wie die ganze Erscheinung. Eine Stimme, als würden sämtliche John-Wayne-Synchronsprecher dieser Welt im Chor knattern.

Dosenöffner, hm... Tja, was sollte man darauf antworten, wenn man kein Monster war und seine Spache nicht verstand?

»Dosenöffner?« fragte ich. »Was meinst du damit?«

»Na, es waren verfluchte Dosenöffner. Sie haben's getan, sie haben dem kleinen Sascha 'n Sonderventil in den Nacken verpaßt, Mann!«

Ich assoziierte eine Weile, versuchte, mir irgend etwas im Zusammenhang mit einem Dosenöffner vorzustellen, was mir angesichts dieser stinkenden Leiche unten und der noch stärker stinkenden Halbleiche an meiner Flanke schwerfiel. Dann wußte ich es.

»Du meinst Menschen? Haben ihn Menschen umgebracht?«

»Klar«, brummte John Wayne. »Es waren beschissene Dosenöffner!«

»Hast du's beobachtet?«

»Scheiße, nein!«

Über sein Gesicht huschten Verärgerung und Entrüstung. Die coole Fassade schien ins Wanken zu geraten.

»Aber wer sollte so was sonst tun, als ein beschissener Dosenöffner? Ja, ein beschissener Dosenöffner, der für nichts anderes gut ist, als für uns die Dosen zu öffnen! Scheiße, ja!«

Er kam jetzt richtig in Fahrt.

»Ist schon der vierte kalte Sack.«

»Du meinst, der da ist schon die vierte Leiche

»Bist wohl neu hier, was?«

Er lachte röhrend, und seine Coolness schien wieder zurückzukehren.

»Beziehst du die Müllhalde da drin? Nettes Plätzchen. Geh' ich immer zum Pinkeln hin!« - Akif Pirinçci, Felidae. München 1990 (zuerst 1989)

 

Sack

 

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