Rundgang   Kaum daß ich meinen Rundgang begonnen hatte, mußte ich an ein Labyrinth denken. Alles war einförmig — die Berge alten Papiers, überall die gleiche Leere, markiert durch Fenster oder Türen, und die Erwartung vieler anderer Türen, durch die sich keine Menschenmengen drängen. So könnte ein Mensch, wenn er es vermöchte, sich wie innerhalb eines Spiegelbildes fortbewegen, wenn zwei Spiegel bis zur Stumpfsinnigkeit den von ihnen erfaßten Raum wiedergeben, und es fehlte nur mein eigenes Gesicht, das aus der Tür wie aus einem Rahmen herausblickte.

Höchstens zwanzig Säle hatte ich durchschritten, als ich den Weg verlor und mir die unterschiedlichen Merkmale einzuprägen begann, um mich nicht zu verirren: hier ein Kalkhaufen auf dem Boden, dort ein zerbrochenes Schreibpult, eine herausgerissene und an die Wand gelehnte Tür; ein Fensterbrett, vollgestopft mit lilafarbenen Tintenfässern, ein Drahtkorb, Bündel abgenützten Löschpapiers; ein Kamin; mancherorts ein Kasten oder ein umgeworfener Stuhl. Aber auch die Erkennungszeichen begannen sich zu wiederholen; ich sah mich um und merkte mit Erstaunen, daß ich manchmal dorthin gelangte, wo ich schon war, und konstatierte meinen Irrtum erst durch eine Reihe anderer Gegenstände. Mehrmals stieß ich auf einen Geldschrank aus Stahl, dessen schwere Tür geöffnet war wie die eines leeren Ofens; ein Telefonapparat, der in dieser Wüste einem Postkasten oder einem Pilz auf einer Birke glich, eine tragbare Leiter; ich fand sogar einen schwarzen Hutblock, der weiß Gott wie und wann in dieses Inventar geraten war.   - Alexander Grin, Der Rattenfänger. In: Phantastische Welten, Hg. Franz Rottensteiner. Frankfurt am Main 1984 (Phantastische Bibliothek 137)

 

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