ührung  Am letzten Mittwoch mußte ich aufstehen und mein Taschentuch holen, denn die Tränen liefen mir übers Gesicht. Ich war beim Schreiben selbst von Rührung ergriffen worden, ich genoß entzückt sowohl die Erregung meiner Idee als auch meines Satzes, der sie wiedergab, und die Befriedigung darüber, daß ich ihn gefunden hatte. - (flb)

Rührung (2)   Vom Blitz getroffen, nein, das war ich nicht: Offensichtlich ist die Vaterschaft ein erworbenes oder abgeleitetes Gefühl, keines, das aus den eigenen Eingeweiden kommt und kein natürliches wie (stellt man sich vor) die Mutterschaft, ein Gefühl ähnlich dem, das man für irgendein Kind oder für ein Tier empfinden kann, das also Zeit braucht, sich auszuprägen; ein mittelbares und fast rationales Gefühl, das heißt rationalen Ursprungs. Jedenfalls alles andere als ein Instinkt oder eine Flucht ins Animalische. - Doch warum sage ich «offensichtlich»? Ich bin fast sicher, daß es sich den anderen nicht so darstellt, und außerdem will ich gleich aufs Ganze gehen.

Aber aufs höchste gerührt, das schon, auch wenn später das gewohnte Gefühl von Unwirklichkeit, von Provisorium und Nichtigkeit alles und alle überschwemmt und mich fast allem und allen gegenüber gleichgültig hat werden lassen. (Nichtsdestoweniger bin ich heute morgen mit dem Gefühl erwacht, einen Schatz zu besitzen, wie wenn man sich beim Aufwachen sagt: Heute habe ich Geld zum Spielen — Geld, Komma, zum Spielen.) Gerührt ist immerhin schon viel, fast alles, wenn die negativen Beweismöglichkeiten zählen. Tatsächlich hätte ich entsetzt sein können und müssen, in dem Wissen, mich reproduziert zu sehen; statt dessen: nichts stand dagegen, obwohl die Kleine bereits ein paar auffällige physische Ähnlichkeiten mit mir, mit meinem verhaßten Ich aufweist. Und um ehrlich zu sein, ich empfinde nicht einmal die Scham, die ich empfinden müßte (aber wie, ich, der ich die Pflicht predigte, der menschlichen Gattung ein Ende zu setzen, es nicht dem lieben Gott zu überlassen . . . etc.?), außer wenn ich mich mit aller Kraft in eine rein logische Ordnung versetze: Ergebnis schlichter Resignation? Und nicht einmal Gewissensbisse wegen all dem, was dieses Kind unvermeidlich erwartet: schlichte Gewissenlosigkeit oder erschlafftes Bewußtsein? Die Sache ist jedenfalls überraschend. Hat die Natur vielleicht eben die Gabe, uns zu überraschen und uns die allerschwierigsten Dinge leichtzumachen, jene, die wir von allein nie meistern würden, wobei sie gleichwohl die gerade noch erträglich schwierigen unserem guten Willen überläßt? - (land3)

 

Gemütsbewegung

 

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