Röhren,
kommunizierende (2) Nun hast du dich zusammengenommen
in dich, siehst dich vor dir aufhören in deinen Händen, ziehst von Zeit
zu Zeit mit einer ungenauen Bewegung dein Gesicht nach. Und in dir ist
beinah kein Raum; und fast stillt es dich, daß in dieser Engheit in dir
unmöglich sehr Großes sich aufhalten kann; daß auch das Unerhörte binnen
werden muß und sich beschränken den Verhältnissen nach. Aber draußen,
draußen ist es ohne Absehen; und wenn es da draußen steigt, so füllt es
sich auch in dir, nicht in den Gefäßen, die teilweis in deiner Macht sind,
oder im Phlegma deiner gleichmütigeren Organe: im Kapillaren nimmt es zu,
röhrig aufwärts gesaugt in die äußersten Verästelungen deines zahlloszweigigen
Daseins. Dort hebt es sich, dort übersteigt es dich, kommt höher als dein
Atem, auf den du dich hinaufflüchtest wie auf deine letzte Stelle. Ach,
und wohin dann, wohin dann? Dein Herz treibt dich aus dir hinaus, dein
Herz ist hinter dir her, und du stehst fast schon außer dir und kannst
nicht mehr zurück. Wie ein Käfer, auf den man tritt, so quillst du aus
dir hinaus, und dein bißchen obere Härte und Anpassung ist ohne Sinn. - Rainer Maria Rilke, Die Aufzeichnungen
des Malte Laurids Brigge. Fankfurt am Main 2000 (it 2691, zuerst 1910)
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