iesenpsychologie
Wenn es in der extremen Natur des Riesen liegt, allein zu leben, sich zu verkriechen
wie ein verrückter, mürrischer Mönch, so stößt man trotzdem nicht selten auf
kleinere Gruppen, die dem Morden verfallen sind. Es handelt sich zumeist um
einen Wurf von Brüdern, die sich nicht vom Kompromiss des Lebens in der Familie
trennen können. Auch wenn sie groß, kräftig und gelegentlich Neger sind, zeigen sie doch, dass
sie psychoanalytisch betrachtet das vorpubertäre Alter noch nicht überschritten
haben, zum Schaden ihrer Gefühlswelt. Beispielsweise haben sie nie eine Ehefrau.
Um die Wahrheit zu sagen, sieht es so aus, als gäbe es keine Riesinnen, das
heißt keine Riesinnen, die zum Zusammenleben und zur Paarung tendieren. Aber
auf jeden Fall lebt der Riese lieber als Junggeselle. Er kennt weder Vater noch
Mutter und könnte auch den Kontakt mit ihnen nicht ertragen; undenkbar ist es,
dass ein Riese als Papa auftritt. Die Mutter lebt für sich allein, in den belegten
Fällen als Megäre oder Zauberin, und lässt die Riesenkinder in einer ungesunden
Bindung des Zusammenwohnens nur mit ihren Brüdern heranwachsen. Es ist verständlich,
dass sie nicht normal werden, Reptilien und Reptilienhaut lieben, um sich zu
schmücken oder sich ein Kostüm zu machen. Sie sind Gefühlskrüppel, gewalttätig
und neigen zur Feindschaft. Eigentlich weist alles darauf hin, dass die Riesen
keine richtigen Säugetiere sind und dass ihre Rasse beispielsweise Eier legt
wie die Reptilien, dass die Mutter die Eier in den heißen Sand irgendeiner Wüste
gleiten lässt (was ihre überwiegende Verbreitung im Tropengürtel erklären würde),
und dass sich die Eier hier von selbst öffnen, wodurch Ansiedlungen heterozygoter
Riesenzwillinge oder -drillinge entstehen, die in der unauflöslichen Solidarität
von Blutsverwandten heranwachsen und das Territorium ausrauben. - Ermanno Cavazzoni, Das kleine Buch der Riesen. Berlin
2010
|
||
|
|
|